"Chance 2000": Den Politzirkus aufmischen

22.2.2018, 09:00 Uhr

© Andreas Altwein/dpa

Siebeneinhalb Jahre ist es nun schon her, dass Christoph Schlingensief viel zu früh, mit 49 Jahren, starb. Er provozierte einst als Regisseur mit schrill-satirischen Filmen wie "Das deutsche Kettensägenmassaker", aber auch mit außergewöhnlichen Theater- und Operninszenierungen. Interessant waren außerdem seine innovativen Arbeiten fürs Fernsehen, zum Beispiel die schräge Gesprächsrunde "Talk 2000".

Und "Chance 2000", Schlingensiefs einziger unmittelbarer Versuch, den Politzirkus aufzumischen? Der dürfte selbst nach 20 Jahren noch einigen in Erinnerung sein. Angesichts zunehmender Politikverdrossenheit, der GroKo-Querelen und der noch immer bestehenden Option von Neuwahlen wirkt die späte Doku von Kathrin Krottenthaler und Frieder Schlaich dazu durchaus aktuell. Neuartige politische Impulse werden schließlich dringend benötigt.

Die Geschichte der "Chance 2000" beginnt als eine Art Bürgermobilisierung in Vereinsform mit Anleihen bei der APO, der außerparlamentarischen Opposition der 68er. Man fordert mehr Bürgerbeteiligung, richtet sich an Ausgegrenzte und Benachteiligte wie Arbeitslose und Behinderte. Jede Ideologisierung wird dabei vermieden.

Viel Aufsehen

Am 13. März 1998 kommt es zur Gründung als Partei. Der vorherige mühsame Weg zu den notwendigen 2000 Unterschrift wird im Film anschaulich dargestellt. Die "Chance 2000" bewegt sich zwischen Kunst, Satire und ernsthaftem politischen Engagement, das doch immer wieder betont wird. Es wird beachtliches mediales Aufsehen erregt. Immerhin unterstützen die Promis Harald Schmidt, Wolfgang Joop und Alfred Biolek die "Chance 2000".

Neu ist vor allem, dass eine Partei vorwiegend auf Performances und andere künstlerische Aktionen setzt. Am meisten Aufsehen erregte "Baden im Wolfgangsee". Eingeladen wurden alle sechs Millionen Arbeitslose – angeblich mit dem Ziel, Helmut Kohls Ferienhaus zu überfluten. Die Resonanz war trotz des Medienrummels mäßig. Was sich dann als Vorzeichen für das Wahlergebnis erwies: Obwohl man von allen Kleinparteien sicher die größte Aufmerksamkeit erregte, blieben die Kunst-Revoluzzer mit 0,058 Prozent der Zweitstimmen selbst von einem Achtungserfolg meilenweit entfernt.

Dennoch: Die "Chance 2000" war eine politische Kuriosität, die in Erinnerung bleibt und die auch heute noch Denkanstöße liefern kann. Die Doku ist zwar mit 131 Minuten eindeutig zu lang geraten. Eine kompaktere Form wäre sicher besser gewesen. Schlingensief-Fans und alle, die auf der Suche nach Anregungen für neue politische Impulse sind, werden aber so einiges Interessante entdecken.

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