"Der Affront": Und alles wegen eines tropfenden Abflussrohrs...

25.10.2018, 09:00 Uhr

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Große Konflikte haben nicht selten einen harmlos-banalen Ursprung. Wir befinden uns im Libanon. Aus dem Abflussrohr des Balkons von Toni (Adel Karam) fließt Wasser auf die Straße. Ein Team von Bauarbeitern saniert gerade das Viertel und stört sich daran. Doch Toni blockt jede Diskussion ab. Wohl weil er den Vorarbeiter Yasser (Kamel El Basha) wegen seines Akzents als Palästinenser erkennt – für ihn das große Feindbild. Als Yasser eigenmächtig den Abfluss reparieren will, wird er von seinem Kontrahenten mit Schmutzwasser bespritzt. Darauf reagiert er mit einer rüden Beleidigung.

Der Vorabeiter wird von seinem Vorgesetzten gedrängt, sich zu entschuldigen. Da bei den Arbeiten nicht alles rechtlich einwandfrei abläuft, hat der Chef Angst, dass es bei einer Eskalation zu lästigen Prüfungen kommen könnte. Doch das geplante Entschuldigungstreffen wird zur Katastrophe: Toni lässt sich zu der Äußerung "Scharon hätte euch alle eliminieren sollen!" hinreißen.

Yasser reagiert mit körperlicher Gewalt, was zwei Rippenbrüche zur Folge hat. Nun landet die Angelegenheit vor Gericht, was sie keineswegs in sachlichere Bahnen lenkt. Die heftigen Konflikte im Verlauf des Prozesses ziehen schließlich immer weitere Kreise, führen im Land zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Nun sind auch die höchsten politischen Ebenen gezwungen, sich einzuschalten. . .

Vorurteile und die sich daran entzündenden Konflikte – ein Thema, das auch in Deutschland nicht erst seit den alltäglich gewordenen zweistelligen Wahlergebnissen der AfD virulent ist. Der libanesische Regisseur Ziad Doueiri machte aus dem Stoff eine filmische Parabel, die durchaus allgemeingültig ist, also über den Libanon hinausreicht.

"Der Affront" wurde für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert. Kamel El Basha gewann bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig völlig zurecht den Volpi Cup als bester Schauspieler. Er gibt den störrischen Yasser sehr souverän mit unterkühltem Stolz. Überhaupt ist die Besetzung durchaus überzeugend, sie verleiht den Figuren eine angemessene Komplexität. Gelungen ist außerdem die Kameraführung, die mit hautnaher Dynamik eine fiebrige Atmosphäre erzeugt.

Leider hat der Film auch seine Mängel: Nicht alle Verhaltensweisen der Protagonisten sind wirklich nachvollziehbar, ein paar Sequenzen, etwa von den Gerichtsverhandlungen, gerieten eine Spur zu lang, und das Ende mutet ein wenig zu schönfärberisch-versöhnlich an. Als Lehrstück ohne aufdringlich geschwungenen Zeigefinger ist "Der Affront" aber trotzdem der richtige Film zur richtigen Zeit. (F/ CY/RL/B/USA/113 Min.)

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