"Die dunkelste Stunde": Kampf gegen die Nazi-Barbarei

18.1.2018, 09:00 Uhr

© Universal

Mai 1940: Die deutschen Armeen haben die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Norwegen überrannt. Frankreich steht kurz vor der Kapitulation, Großbritanniens Soldaten sind in der nordfranzösischen Hafenstadt Dünkirchen eingekesselt. Der Untergang Westeuropas steht kurz bevor.

Da tritt der bislang glücklose und weithin wenig gelittene Winston Churchill ("Ich bekam den Job, weil das Schiff sinkt. Das war kein Geschenk, das war Rache!") das Amt als britischer Premierminister an. Seine Aufgabe: Das Königreich in seiner dunkelsten Stunde geschlossen in den Kampf gegen die Nazidiktatur zu führen. Sieg um jeden Preis lautet die Ansage des nuschelnden und trinkenden Politik-Schwergewichts. Doch mit seinem Amtsvorgänger Neville Chamberlain (Ronald Pickup) und Außenminister Lord Halifax (Stephen Dillane) gibt es auch Stimmen, die mit den Nazis verhandeln wollen . . .

Von der ersten Minute an ist man sowas von drin in dieser fabelhaften Geschichtsstunde, in der der Wahrheit natürlich immer gebührend Spielraum gegeben wird. Bei aller Realitätsnähe bleibt "Die dunkelste Stunde" zu jeder Sekunde Interpretation, die auch noch nach Kräften dramatisch zugespitzt wurde, wie es das Format Spielfilm nun einmal verlangt.

So weit, so gut. Im Prinzip geht es zwei Stunden lang um eine einzige Frage: Kämpfen oder kapitulieren? Während alles geradewegs auf Churchills berühmte "We Shall Fight On The Beaches"-Rede zusteuert – das große Finale des Films – findet Regisseur Joe Wright ("Abbitte", "Stolz & Vorurteil") immer wieder zumindest kurz Zeit, um es menscheln zu lassen: Churchills Ticks und seine Manierismen, sein inszeniertes Auftreten, mit dem er sich selbst zur Marke machte (Zylinder, Zigarre, das ikonische Victory-Zeichen) und natürlich der ganze Strauß an legendären Zitaten, mit denen sich diese schillernde Figur (die unter anderem 1953 den Nobelpreis für Literatur verliehen bekam) unsterblich gemacht hat.

Gary Oldman löst diese Aufgaben mit Bravour und oft ganz beiläufig mit Sinn für Details und den Moment — und ist nicht nur dank der Maskenbildnerkünste, die ihn vollends unkenntlich machen, eine einzige Schau. Großartig sind aber auch sämtliche Schauspieler um ihn herum, vor allem Kristin Scott Thomas als Ehefrau Clementine, die dem so exzentrischen wie cholerischen Staatenlenker zu Hause hinter den Kulissen regelmäßig die Meinung sagt – freilich in urbritischem Stil. So gelingt der Spagat zwischen dem Menschen und dem überlebensgroßen Mythos.

Ein paarmal geht der Film dann aber leider doch dem der (historischen) Geschichte innewohnenden Pathos auf den Leim und kippt hart in Richtung blanke Heldenverklärung. Wenn der Premierminister, der eben noch erzählt hat, dass er noch nie mit dem Bus gefahren ist, plötzlich ausbüxt und ganz allein in die U-Bahn hinabsteigt, um dort im Zugabteil eine spontane Bürgerfragestunde abzuhalten (übrigens eine komplett erfundene Episode), dann ist das nicht mehr als blanke, verklärende Durchhalte-Propaganda. Trotzdem: Brillant gespielt, brillant gefilmt, brillant gemacht. (GB/126 Min.)

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