"Die Erscheinung": Wahrheitssuche im Auftrag des Heiligen Stuhls

13.12.2018, 08:00 Uhr

© Filmperlen

Gerade erst musste der Journalist Jacques Mayano (Vincent Lindon) miterleben, wie sein langjähriger Kollege und bester Freund in Syrien von einer Bombe getötet wurde. Zurück in Frankreich, hat er die traumatische Erfahrung noch längst nicht verarbeitet, als ihn ein Anruf aus dem Vatikan erreicht. Mayano soll herausfinden, ob die Marienerscheinung der 18-jährigen Anna, die ihrem Heimatort seit zwei Jahren eine kaum mehr zu bewältigende Pilgerflut beschert, Wahrheit oder Lüge ist.

Obwohl der nichtgläubige Mayano sich selbst den falschen Mann für diese Aufgabe nennt, vertraut man dem integren Journalisten die Leitung der kanonischen Untersuchung an. Wie die Pilger ist auch der vom Krieg psychisch und physisch Versehrte bald fasziniert von Anna. Obwohl er spürt, dass der Fall einiges mit ihm selbst zu tun hat, sucht er nach rationalen Erklärungen für Annas Vision. Mayano vermutet verdrängte sexuelle Wünsche ebenso dahinter wie die Manipulation durch den Ortspfarrer Borrodine oder die schwierige Herkunft der jungen Frau, die als Waisenkind bei wechselnden Pflegefamilien aufwuchs. Als er durch ein Foto auf die verschwundene beste Freundin Annas stößt, wächst in ihm mehr und mehr der Verdacht, dass mit der angeblichen Erscheinung ein Verbrechen vertuscht werden soll.

Mit dieser Plotwendung allerdings verheddert sich Xavier Giannoli zunehmend in einem Gestrüpp leerlaufender Handlungsstränge. Immer undurchsichtiger und konstruierter wirken die Verweise auf einen möglichen Mordfall, die auch das gegenwärtige Flüchtlingdrama und schließlich den Eingangsschauplatz Syrien einbeziehen. Entsteht da mitunter der Eindruck, dass der Regisseur selbst nicht genau weiß, welche Geschichte er erzählen will, so gelingt ihm die Darstellung der religiösen und kirchlichen Ereignisse überzeugend.

Auf eindrückliche Bilder von den beseelten Pilgerscharen folgen Schnitte zum florierenden Souvenirhandel; bissigen Seitenhieben auf geistliche Scheinheiligkeit – in Gestalt des deutschen Priesters Anton, der Anna zum globalen Internetphänomen machen will –, steht das wachsende Vertrauen der Protagonisten gegenüber, die beide auf ihre Art schutzbedürftig sind.

Großartige Hauptdarsteller

Für Spannung sorgt auch der Wechsel zwischen intensiven Nahaufnahmen und fast surrealen Momenten. Und während Gallatéa Bellugi Anna mit eindringlich stiller Präsenz verkörpert, bildet der großartige Vincent Lindon das Zentrum eines Films, der sich als Krimi tarnt, um letztlich existenzielle Themen zu verhandeln. Auch wenn das Konzept nicht wirklich aufgeht – Lindon dabei zuzusehen, wie er nach und nach ins Leben zurückfindet, lohnt den Kinobesuch. (F/B/ JOR/137 Min.)

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