"Die verborgenen Farben...": Schule der Liebe und des Sehens

26.7.2018, 09:00 Uhr

© Film Kino Text

Von Silvio Soldini gab es vor knapp 20 Jahren den herzerfrischenden Film "Brot und Tulpen" mit den wunderbaren Darstellern Licia Maglietta und Bruno Ganz. Der erzählte traumgetrieben davon, wie eine Hausfrau aus Pescara in Venedig mehr oder weniger zufällig die Qualitäten eines selbstbestimmten Lebens schätzen lernt. Mit schöner Leichtigkeit ging es da auch um die Liebe.

Von der Liebe handelt auch Soldinis neuer Film "Die verborgenen Farben der Dinge". Die Leichtigkeit aus "Brot und Tulpen" geht ihm allerdings weitgehend ab. Vielmehr wirkt die Geschichte von Anfang an seltsam konstruiert: Da ist einerseits Teo (Adriano Giannini), ein leidlich attraktiver, selbstverliebter Typ aus der Werbebranche, immer auf dem Sprung. Der 40-Jährige ist ein notorischer Frauenheld, der sich kein Date durch die Lappen gehen lässt, er belügt seine Freundin und geht fremd, die Gespräche mit dem Kollegen drehen sich meist um Bettgeschichten. Sein Staubsaugerroboter scheint ihm emotional noch am nähesten zu stehen. Kurzum: Der Film lässt kaum ein gutes Haar an ihm.

Gegenmodell ist die blinde Emma (Valeria Golino), die als Osteopathin arbeitet und ein selbstbestimmtes Leben führt. Sie ist lebensfoh, ruhig, empathisch und nimmt ihre Umgebung trotz ihrer Behinderung intensiver wahr als der oberflächliche Werbefachmann. Kurzum: Der Film macht sie zur Sympathieträgerin. Als sich die beiden in einem Workshop, der in absoluter Dunkelheit stattfindet, kennenlernen, ist Emma für Teo zunächst nur eine weitere Frau, die es aufzureißen gilt. Doch natürlich kommt es anders. Worauf die Geschichte hinausläuft, liegt nach den Einstiegsszenen leider viel zu früh auf der Hand.

Es kommt also auf das wie an. Und da setzt Soldini, der sich beim Dreh für seine Dokumentation "Per altri occhi" intensiv mit blinden Menschen auseinandergesetzt hat, auf die Farb-Metapher. An Emmas Seite entdeckt Teo, wie bunt der Alltag ist, sie öffnet ihm die Augen — und am Ende muss er Farbe bekennen. Zwischenrein gibt es einigen Leerlauf, und Teo darf von seiner Vergangenheit erzählen. Damit ist dann auch geklärt, warum der Mann so ist wie er ist.

Das ist alles mit sehr viel Aufmerksamkeit für die Protagonisten erzählt, von den Hauptdarstellern gut gespielt und mit leisem Humor durchwirkt. Trotzdem bleibt man auf Distanz zu den Figuren. Das mag daran liegen, dass es der Geschichte an Glaubwürdigkeit mangelt. Sicher, auch in "Brot und Tulpen" hat Soldini keine wirklich reale Geschichte erzählt, doch mehr als in dem aktuellen Film, bezauberte er die Zuschauer mit Herz, Verstand und Spaß. (I/CH/116)

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