"Furusato": Mit Wut und Atemmaske

8.3.2018, 08:00 Uhr

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"Furusato" ist der japanische Name für eine mythisch überhöhte Heimat. Etwas, das uns mit dem ersten Augenöffnen als Baby bis zum letzten Blick als Sterbender begleiten wird. Bei den Einwohnern der Stadt Minamisoma im Bezirk Fukushima, zur Hälfte verstrahlter Sperrbezirk, zur anderen Hälfte eher willkürlich als bewohnbar erklärt, ist dieses Furusato zur Frage von Bleiben oder Wegziehen geworden. Tausend Jahre Familientradition oder einen Tempel aufgeben, kommt für die Älteren nicht in Frage, doch sie machen sich Sorgen um die Gesundheit und Zukunft ihrer Kinder. Die Frau des Tempelpriesters bringt das große Fragezeichen auch im Kopf des Zuschauers auf den Punkt: Wie kann ein Land, das als einziges auf der Welt bereits zwei Atomexplosionen erlebt hat, einen Atomreaktor nach dem anderen bauen, ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen?

Sie bleibt die einzige, die vor Trimpops Kamera weint, obwohl alle Haushalte, die er auf eine ruhige, kommentarlose Weise vorstellt und zu Wort kommen lässt, jeden Grund zum Heulen hätten. Besonders an die Nieren geht ein Pferdehof, geführt in der vierten Generation, auf dem die "Spätfolgen" bereits zu besichtigen sind: Fohlen mit Behinderungen, Pferde mit zunehmend gelähmten Hinterbeinen und eine junge Frau, die sich in einen verzweifelten Furor von Optimismus hineinredet.

Der zum Zeitpunkt der Katastrophe verantwortliche Sicherheitsingenieur gibt sich ernst, findet alles schrecklich und verweist auf das übermenschliche Durchhalten seines Teams zum Zeitpunkt der Krise. Kein Wort zu dem irrwitzigen Standort der fünf Reaktoren seiner Firma Tepco, auf dem ein Erdbeben mit folgendem Tsunami eine Katastrophe auslösen konnte. Kein Wort über die ausbleibenden Entschädigungen von Firma und Staat, die Lügen und Vertuschungen. Etwa 1600 Todesopfer hat die Katastrophe damals gekostet. Mittlerweile sind etwa gleich viele Tote in Krankenhäusern und Übergangslagern zu beklagen. Wobei man davon ausgehen kann, dass sich die meisten von ihnen selbst das Leben genommen haben. (D/94 Min.)

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