"Grenzenlos": Bis ins Herz der Finsternis

2.8.2018, 09:00 Uhr

© Warner

Die Romanvorlage von J. L. Ledgard dürfte Wenders, den großen Sinnsucher unter den deutschen Filmemachern, auf Anhieb fasziniert haben. Es geht um zwei Menschen, die sich zufällig in einem Hotel an der Küste der Normandie kennenlernen, die sich heftig ineinander verlieben und denen nur ein Wochenende für ihre Liebe bleibt, bevor sie in komplett entgegengesetzte Weltgegenden aufbrechen.

Die Biomathematikerin Danielle (Alicia Vikander) will in den tiefsten Tiefen des Nordatlantik nach dem Ursprung und der Zukunft des Lebens forschen. Der MI 6-Agent James (James McAvoy), der sich als Wasserbauingenieur ausgibt, soll in Somalia eine islamistische Terrorzelle, die Bombenanschläge in Europa plant, auskundschaften. Auf sehr unterschiedliche Weise dringen beide bei ihren Missionen ins Herz der Finsternis vor – in das lichtlose Totenreich der Ozeane und in die Hölle eines Lehmverlieses, wohin James schon kurz nach seiner Ankunft in Afrika von Dschihadisten verschleppt wird.

Der intensive Flirt, Danielles Vorbereitungen auf dem Forschungsschiff und James’ Torturen in Somalia werden von Beginn an parallel erzählt. Die Erinnerung an ihr kurzes Glück, ihre Gespräche und ihre geistige Verbindung wird nach der Trennung für beide zum einzigem Halt. Während Danielle vergeblich versucht, ihren Geliebten, von dessen Schicksal sie nichts weiß, telefonisch zu erreichen, muss James um sein Leben fürchten. Einmal wird er von einem Erschießungskommando ins Meer geführt, als die Schüsse fallen, sackt er zusammen und realisiert erst Sekunden später, dass er verschont wurde.

Doch verzichtet Wenders auf eine Vertiefung der Ausnahmesituationen, in denen sich seine Protagonisten befinden. Der Selbstwertverlust der Geisel und die im Ansatz durchaus differenzierte Sicht auf die Glaubens- und Gedankenwelt der Dschihadisten werden nur in Momentaufnahmen angerissen. Auch der Antrieb Danielles für ihre lebensgefährliche Expedition wirkt eher behauptet, als dass er sich glaubhaft vermittelt – zumal Alicia Vikander so blutjung aussieht, dass man ihr die ehrgeizige Wissenschaftlerin nie abnimmt.

Mit "Grenzenlos" hat sich der 73- jährige Wenders zwei große Themenbrocken vorgenommen – nicht weniger als Leben und Tod – und macht dann doch einen konventionell inszenierten Liebesfilm vor malerischer Küstenlandschaft daraus. Nahe kommen einem die Protagonisten nicht, die hölzernen Dialoge (vielleicht auch der Synchronisation geschuldet) tun ein übriges, und fast wirken die zwei anderen Handlungsstränge, als seien sie vor allem dazu da, die Tragik dieser Liebe zu steigern – bis ins Grenzenlose. (D/USA/F/E/112 Min.)

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