"Jetzt.Nicht": In der Spirale des Trübsinns

9.11.2017, 11:14 Uhr
Nachdem er den Chef seiner erfolgreichen Frau verprügelt und jeden in Sichtnähe vor den Kopf gestoßen hat, versenkt Walter seinen Firmenwagen im Baggersee und lässt sich auf einer Raststätte von einem Manager seines Alters nach Köln mitnehmen.

© Telavision Nachdem er den Chef seiner erfolgreichen Frau verprügelt und jeden in Sichtnähe vor den Kopf gestoßen hat, versenkt Walter seinen Firmenwagen im Baggersee und lässt sich auf einer Raststätte von einem Manager seines Alters nach Köln mitnehmen.

Lassen sich charakterliche Defizite der Karriere anlasten? Oder andersrum: Wird ein aufgeblasener Gockel, der sich ernsthaft etwas auf seinen Werbeslogan "You only live once" für eine Hautcreme namens Yolo einbildet, wird also ein solcher Hohlpfosten ein besserer Mensch, wenn man ihn aus seiner hochdotierten Arbeitswelt freistellt? Filmemacherin Julia Keller scheint davon auszugehen, sonst würde ihr Mittvierziger Walter (Godehard Giese), überraschend aus Betriebsgründen gefeuert, nur als Satire durchgehen. Denn erstens ist man in seiner Branche lebenslang auf Derartiges gefasst, würde also zweitens im Ernstfall nicht ausrasten, um sich nicht drittens, wie Walter, das eigene Netzwerk kaputt zu machen. Doch Kellers Held ist ein Teilzeit-Irrer, vermutlich der Dramatik wegen.

Nachdem er den Chef seiner erfolgreichen Frau verprügelt und jeden in Sichtnähe vor den Kopf gestoßen hat, versenkt Walter seinen Firmenwagen im Baggersee und lässt sich auf einer Raststätte von einem Manager seines Alters nach Köln mitnehmen. Als der hilfsbereite Erfolgsmensch auf dem Beifahrersitz das Zeitliche segnet, schlüpft er in dessen Rolle.

Er checkt in dessen Hotel ein, benützt seine Kreditkarten und geht schließlich zum Vorstellungsgespräch, zu dem der Tote unterwegs war. Für Walter läuft das prima, seine Aufschneiderei funktioniert immer noch, doch plötzlich hat er keine Lust mehr, die nächtliche Großstadt nimmt ihn gefangen...

Das klingt zwar halbwegs spannend und amüsant, vollzieht sich aber in bedeutungsschwanger aneinandergereihten Spiralen des Trübsinns, die um den Verdacht kreisen, dass sich unser Lebenssinn in Arbeit erschöpft, die ein solches Opfer nicht verdient. Ausstieg unmöglich, es findet sich immer ein Jetzt.Nicht. (D/88 Min.)

 

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