"Meine glückliche Familie": Aufbruch ins eigene Leben

13.7.2017, 08:00 Uhr

© Zorro

An ihrem 52. Geburtstag verkündet Manana (Ia Shugliashvili) der Familie, dass sie nicht mehr bei ihr leben will. Nichts Besonderes ist vorgefallen, Manana wird ihrem Mann Soso (Merab Ninidze), den zwei erwachsenen Kindern und ihren Eltern, die alle auf engstem Raum in einem Mietshaus in Tiflis zusammenwohnen und wie vom Blitz getroffen sind, keine Erklärung für ihren Entschluss geben. Dem Zuschauer aber offenbart sich in jedem Bild, in jeder Reaktion auch des weiteren Familienumfelds, warum diese gestandene Ehefrau und Mutter, die an einer Schule georgische Literatur unterrichtet, es nach jahrzehntelanger Duldsamkeit einfach nicht mehr aushält. Warum sie sich eine kleine Wohnung gesucht hat, in der sie endlich Raum für sich hat.

Es sind nicht nur der ständige Lärm, die Enge und die ewig klagende, sich in alles einmischende herrische Mutter Lamara (Berta Khapava), die Manana zu ihrem unwiderruflichen Schritt bewogen haben. "Meine glückliche Familie" entwirft das Porträt einer Gesellschaft, die die alten Rollenbilder tief verinnerlicht hat und Frauen kaum eigene Freiräume zugesteht.

Mananas unerwarteter Ausbruch ist für ihre Umgebung Provokation und Kränkung. "Du blamierst deinen Mann", hält ihr Lamara zornig entgegen. Sie wird mit Vorwürfen und Ratschlägen bedrängt, ihr Bruder schwingt sich zum vorgeblichen Beschützer auf, der ein paar Männer als Anstandswächter engagiert. Und dass an dieser scharfen Trennlinie zwischen den Geschlechtern auch die Frauen mitwirken, wird bei einem Klassentreffen bitter deutlich.

Die Kamera findet für den Druck, dem Manana von allen Seiten ausgesetzt ist, und den Frieden, den sie schließlich findet, beredte Bilder. In der Familienwohnung herrscht stets aufgeregter Hochbetrieb, alle reden lautstark aufeinander ein, während Manana immer mehr verstummt. In ihr schönes Gesicht hat sich die Erschöpfung tief eingeschrieben, aber sie lässt sich nicht mehr beirren. Um ihre Familie wird sie sich weiter kümmern, aber in ihrer kleinen Wohnung hat sie einen Platz ganz für sich gefunden. Hier kann sie Mozart hören, Torte essen, in Ruhe die Arbeiten ihrer Schüler korrigieren und wieder ihre alte Gitarre herausholen.

Es ist ein einfaches, eigentlich selbstverständliches Glück, das sich Manana nach lebenslanger Selbstverleugnung erobert hat. Der Sommerwind, der raschelnd durch die Bäume vor ihrem Balkon weht, wirkt wie die frische Begleitmelodie für eine späte, aber gelungene Emanzipation. (D/F/ Georgien/120 Min.)

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