"Was uns nicht umbringt": Reif für die Couch

15.11.2018, 09:00 Uhr

© Alamode

Es dauert eine Weile, bis man sich in Sandra Nettelbecks Short Cuts, für die sie auch das Drehbuch geschrieben hat, zurechtfindet. Nicht viel anders ergeht es ihrer Hauptfigur, dem Psychotherapeuten Max (August Zirner), der, von einer Nebenrolle in ihrem Erfolgsfilm "Bella Martha" nun zum Dreh- und Angelpunkt von vielerlei Beschwernissen befördert, bisweilen die Übersicht zu verlieren droht. Seine Ex-Gattin Loretta (Barbara Auer) kommt mit ihrem Liebesleben und den bei ihr lebenden gemeinsamen Kindern nicht zurecht. Deshalb liegt sie ausdauernd und pro bono auf Maxens Couch, und der sitzt ratlos daneben, wobei sein Status als "bester Freund" auch nicht weiterhilft.

Mal traurig, mal komisch

Die Patientin Sophie (Johanna ter Steege), eine bestrickende Spielsüchtige, braucht zwar recht lange, bis sie kapiert, dass ihr stets unpünktlicher Liebhaber sie nicht aus Schusseligkeit so oft sitzen lässt, erweist sich dann aber endlich auch für Max als das Licht am Ende des Tunnels. Der zieht sich allerdings leider, wie im richtigen Leben, ziemlich lang dahin und besteht aus wirklich traurigen und manchmal zum Glück berührend komischen Geschichten.

Zu letzteren gehört der Running Gag des Films, ein Hund namens Panama, den sich Max wegen seiner melancholischen Augen aus dem Tierheim geholt hat, und der beim ersten Gassigehen einen von Max’ Patienten zum Ausführer kürt. Manche Episoden werden mit leichter Hand serviert, wie die mit dem von Bjarne Mädel gespielten Tierpfleger und seiner geliebten Sunny (Jenny Schily). Viele andere bedienen sich einer Dramatik, die nahe an der Seifenoper balanciert, wozu auch die Begleitmusik von Volker Bertelmann, die penetrant auf Richard Claydermans Spuren klimpert, einiges beiträgt.

Besonders beim homosexuellen Piloten Fritz (Oliver Brumis), der durch die tödliche Erkrankung seines langjährigen Geliebten ein Opfer der Flugangst wird, wird man den Soap-Verdacht nicht los. Max kann zwar nicht helfen, aber immerhin ist das ein hochemotionaler Aufhänger zum Thema Schwulenhass und aufkeimendes Verständnis.

Nettelbecks Script kennt wenig Berührungsängste, bei der Inszenierung jedoch merkt man schon, dass ihr bewusst ist, auf welch dünnem Eis sie über einen Schmachtfetzen hinwegsegelt. Ein skurriles Bestatterpaar, dargestellt von Christian Berkel und Victoria Meyer, sorgt dann zur rechten Zeit für melancholische Heiterkeit bei allzu viel Tränennähe. Nettelbecks famoses Ensemble, überraschend bis in winzige Nebenrollen, beweist, dass trotz endloser Serien-Schinderei die Leidenschaft am Beruf lebendig bleibt, wenn man sie nur von der Leine lassen darf. (D/129 Min.)

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