"Was werden die Leute sagen": Zwischen Freiheit und Tradition

11.5.2018, 09:00 Uhr

© Pandora

Die 15-jährige Nisha lebt mit ihrer pakistanischen Familie in Norwegen. Der Vater Mirza ist einst hierher gezogen, um seinen Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Er ist stolz auf die fleißige Tochter, die demnächst vielleicht Medizin studieren wird, doch hält er zugleich streng an den Traditionen seiner Heimat fest.

Nisha, die mit ihren Freunden ein ganz normales norwegisches Teenager-Leben führt – Basketball spielen, Flirten, ein bisschen feiern, tanzen, ein Zug am Joint –, hat sich mit ihrem Doppelleben arrangiert. Auch wenn das bedeutet, dass sie immer viel zu früh am Abend nach Hause rennen muss, wo der Vater bei Anbruch der Nacht die Vorhänge zuzieht und über die Ehre der Familie wacht.

Als er Nisha mit einem Freund in ihrem Zimmer erwischt, droht er ihr außer sich, sie umzubringen. Das Mädchen merkt, dass er es ernst meint. Dass überhaupt nichts "passiert" ist, ficht Mirza nicht an, ihr Verhalten bringe Schande über die Familie. Seine Kollegen bestärken ihn darin, dass sie ein schlechtes Vorbild für ihre eigenen Töchter sei und fordern eine harte Strafe. Um Nisha auf den rechten Weg zu bringen, entführt Mirza sie zu Verwandten nach Pakistan.

Iram Haq hat das selbst mit 14 Jahren erleben müssen und lässt in ihrem Film keinen Zweifel an der Grausamkeit dieser Erfahrung. Dem norwegischen Alltag brutal entrissen (sogar das Handy als letzte Brücke hat der Vater weggeworfen), taucht Nisha in Pakistan in eine fremde Welt ein, die auch auf den Zuschauer verstörend feindselig wirkt. Die Verwandten begegnen ihr wenig freundlich, Koch- und Putzarbeiten sollen sie an die eigentlichen Aufgaben einer Frau erinnern. Nach einem Online-Hilferuf im Internet-Café zwingt der Onkel sie, ihren norwegischen Pass zu verbrennen. "Du musst lernen, dich anzupassen", erklärt er ihr.

"Was werden die Leute sagen" erzählt die Geschichte einer Gefangennahme und zeigt, wie überholte Ehrvorstellungen die Menschen feige und hartherzig machen. Nishas Freiraum wird immer enger, bis man ihr schließlich jedes Recht auf Selbstbestimmung nimmt. Eine zarte Liebelei mit ihrem Cousin endet in einer Katastrophe, die den Vater zwingt, seine Tochter wieder nach Hause zu holen, wo Nisha fortan rund um die Uhr überwacht wird und die Sozialarbeiterinnen hilflos agieren.

Platz für Zwischentöne lässt die Regisseurin wenig. Einzig der tyrannische Mirza, für den die Ehre der Familie das kostbarste Gut ist, entscheidet sich am Ende für die Liebe zu seiner Tochter. Adil Hussain ("Life of Pi") macht die moralische Zerrissenheit seiner Figur stets spürbar. Die große Entdeckung des Films aber ist die 17-jährige Maria Mozhdah, die Nisha mit ungemein packender Wahrhaftigkeit verkörpert – als junge Frau zwischen Zerbrechlichkeit und Stärke, Duldung, Verzweiflung und Rebellion. Ganz stark. (N/D/S/106 Min.)

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