"Wir töten Stella": Geständnis einer untätigen Zeugin

18.1.2018, 09:00 Uhr

© Real Fiction

Schuft schwängert Mädchen und treibt es damit in den Tod. Die Geschichte gibt es in Österreich in vielen Variationen und Gestaltungsformen. Im vorliegenden Fall ist der Schuft der Scheidungsanwalt Richard (Matthias Brandt), ein selbstgewisser Dauerlächler, der gegenüber seiner Frau Anna (Gedeck) keinen Zweifel daran lässt, dass er sie liebt, weil er sie besitzt. Als Anna, einer Freundin zuliebe, deren Tochter Stella (Mala Emde) in ihrer großbürgerlichen Villa in Wien im Gästezimmer einquartieren muss, damit die Ex-Klosterschülerin ihr Studium beginnen kann, ist die Familie mürrisch. Stella passt nicht zu ihnen. Soll heißen, auch die beiden Kinder, der etwa 18-jährige Sohn und die zehnjährige Tochter, halten sie für einen Fremdkörper in ihrem riesigen Haus.

Kein trautes Heim also, das der Regisseur und Drehbuchautor in Rückblenden vorstellt, die das monologische Geständnis seiner schuldbewussten Anna dramatisch illustrieren sollen. Gedankenvoll durch die leere Villa streunend, der trauernde Blick häufig auf einem verletzten Vogel im weitläufigen Garten ruhend, erzählt sie aus dem Off, was sie in ihrem schriftlichen Geständnis festzuhalten gedenkt.

Wie Richard, der sich nicht zu schade ist, mit abgeschmetterten Unterhaltsansprüchen zu prahlen, sich an Stella herangemacht hat, als Annas Bemühungen, das Aussehen der jungen Frau aufzuhübschen, endlich Erfolg hatten. Wie wenig dieser Richard versuchte, seine Affäre mit Stella zu verheimlichen, und wie gewissenlos er sie zur Abtreibung und in völlige Verzweiflung getrieben hat. Und Anna, die hochsensible, reflektierende, beschämte, kunstsinnige Seele, kann nicht begreifen, warum sie zu alledem nicht den Mund aufgemacht hat.

"Gefangen im System Richard" nennt sie das an einer Stelle, zu diesem Zeitpunkt ist einem diese Gattin Anna trotz Martina Gedecks Kunst der Zwischentöne bereits ziemlich zuwider. Zwischendurch beklagt Christa Wolf aus ihrer "Kassandra" lesend die Gleichgültigkeit der Götter. Was das mit Annas melancholischer Mutlosigkeit zu tun hat, ist neben ähnlichen philosophischen Abschweifungen – auch im Soundtrack – erklärungsbedürftig. Eine etwas eitel und aufgeblasen wirkende Aufbereitung einer literarischen Kurzform. (A/88Min.)

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