Für die Bienen ist der Sommer gelaufen

22.8.2015, 13:00 Uhr
Für die Bienen ist der Sommer gelaufen

© F.: Winckler

Herr Müller, wie haben die Bienen die wochenlange Hitze überstanden?

Müller: Faulenzend und in dicken Knäueln am Flugloch hängend. Und als Weltmeister im Kühlen. Täglich drei bis vier Liter Wasser mussten sie in den Stock transportieren, um ihn herunterzukühlen. Vor dem Flugloch haben sie mit den Flügeln fächelnd Luft zugeführt. 34,5 Grad: Diese Temperatur halten die Bienen kontinuierlich im Brutnest, egal ob ihnen die Sonne auf die Beute brennt oder im März Minusgrade herrschen.

 

Mit dem Honigsammeln war es demnach vorbei?

Müller: Die Tracht endete mit dem Einsetzen der Hitze Anfang Juli schlagartig. Weil bei den hohen Temperaturen auch die Blüten keinen Nektar mehr produzieren, mussten wir sehr schnell zufüttern. Es gab einfach nichts mehr. Doch bis dahin hatten wir einen prima Eintrag: Die Frühjahrsernte im Mai war sehr gut, auch die Sommerernte war toll. Im Juni war es feucht und warm gleichzeitig, so dass auch die Bäume gehonigt haben.

Erklären Sie doch mal für den Nicht-Imker, was es mit dem Waldhonig genau auf sich hat.

Müller: Grundlage des Honigs ist Nektar und Honigtau: Den Honigtau produzieren die Läuse. Sie leben vom Pflanzensaft und stechen Blätter, Nadeln und Triebspitzen an, können aber lediglich das Eiweiß verdauen. Den Zuckeranteil scheiden sie aus, wie sie ihn aufgenommen haben. Diese feinen Tropfen sammeln die Bienen. Bei uns hat heuer die Linde stark gehonigt, auch auf den Nadelhölzern haben die Bienen reiche Ernte gemacht.

 

Was passiert jetzt im Bienenstock?

Müller: Das Bienenjahr ist nicht identisch mit dem Kalenderjahr: Es geht von Juli bis zur Sonnenwende am 24. Juni. Jetzt bereiten sich die Völker auf die kalte Jahreszeit vor. Die Winterbienen werden geboren. Im Gegensatz zur Sommerbiene, die maximal 48 Tage lebt, müssen sie bis März aushalten, um die Brut im Frühjahr aufzuziehen. Dafür müssen sie ordentlich Speck ansetzen. Doch gerade jetzt blüht kaum mehr etwas außer Mais. Der ist zwar besser als nichts. Doch füttere ich ein Baby ein Vierteljahr lang nur mit Kartoffeln, tut ihm das auch nicht gut. Aber inzwischen lassen die Bauern da schon mit sich reden.

 

Inwieweit?

Müller: Direkt vor meinem Garten hat ein Landwirt eine Bienenweide angesät. Die Fläche ist klein, von drei Seiten grenzt Wald an. Effektiv bearbeiten lässt sie sich nicht. Bei solchen Flurstücken bieten sich Bienenweiden an. Der Landwirt bekommt einen Zuschuss dafür und die Bienen haben Futter. Mittlerweile werden immer mehr blühende Kulturen als Zwischenfrüchte auf den Feldern angebaut. Senf oder Ölrettich helfen den Bienen, auch blühende Mischungen werden zusehends bezahlbarer. Insoweit hoffe ich schon, dass sich im Herbst wieder ein bisschen etwas für die Bienen findet.

Der Honig ist geschleudert, was hat der Imker nun noch zu tun?

Müller: Jetzt steht die Spätsommerpflege an — eine ganz wichtige Arbeit: Da wird die Bettwäsche gewechselt, alte Waben müssen raus, sie sind Krankheitsträger. Wir füttern die Völker ein. Und wir müssen die Varroamilbe behandeln. Andernfalls würden uns die Völker wegsterben.

 

Was treibt die Varroa genau?

Müller: Die etwa einen halben Millimeter große Milbe ernährt sich vom Bienenblut. Sie sitzen auf der erwachsenen Biene, was gar nicht so tragisch wäre. Die große Gemeinheit ist, dass die weibliche Milbe kurz bevor die Bienen ihre Brut verdeckeln in die Wabenzelle schlüpft und sich dort vermehrt. Die Milben fressen sich dann an der werdenden Biene satt. Im besten Fall ist die geschlüpfte Biene geschwächt, aber sie kann auch verstümmelt sein. Im schlimmsten Fall stirbt sie ab.

 

Was können Sie gegen den Parasiten tun?

Müller: Wir behandeln die Varroa mit organischen Säuren. Doch das braucht viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Ist es zu heiß, verdampft die Säure zu schnell, dann schadet sie den Bienen. Ist es zu kühl, wirkt das Mittel nicht. Vergangenes Jahr hatten wir eine Varroabelastung, wie ich sie in den 17 Jahren, die ich imkere, noch nicht erlebt habe, worunter die Völker massiv gelitten haben. Im Schnitt 30 Prozent waren so geschwächt, dass sie es nicht bis ins Frühjahr schafften. Doch mit der Varroa müssen wir leben. Dass wir das auch können, hat sich daran gezeigt, dass 40 Prozent der Imker im Frühjahr keine Ausfälle hatten.

Angeblich waren es Bienenforscher aus Oberursel, die den Schädling in den 1970er Jahren aus Ostasien eingeschleppt haben.

Müller: Das Gerücht hält sich hartnäckig. Aber ich halte die Verbreitung der Varroamilbe eher für einen Nebeneffekt der Globalisierung. Der nächste Schädling ist mit dem kleinen Beutenkäfer auf dem Vormarsch. Auch bei ihm dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis er von Süditalien zu uns vordringt.

 

Kommen Sie mit Ihrer Imkerei denn auf einen grünen Zweig?

Müller: Nein, sicher nicht, aber vom Honigertrag kann ich Futter und Varroamittel bezahlen. Welches Hobby gibt es sonst, bei dem man das Geld, das man reinsteckt, auch wieder rausholt. Noch dazu ist die Imkerei hochinteressant. Schon die alten Griechen waren von den Bienen fasziniert und haben versucht, ihre Geheimnisse zu ergründen. Doch selbst mit unseren modernen Forschungsmethoden gibt uns die Biene noch viele Rätsel auf.

 

Zum Beispiel?

Müller: Allein das Schwarmverhalten. Da hängt eine Traube von 20 000 Bienen im Baum. 40 bis 80 Spurbienen gehen auf Quartiersuche. Kehren sie zurück, einigt sich diese riesige Masse an Bienen in einer Stunde, in welches Quartier sie fliegt. Einfach unvorstellbar, wie machen die das? Das muss die perfekte Demokratie sein.

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