Fürth genießt die neue Fußball-Ära

25.8.2012, 23:30 Uhr
Svenja Bräuer (links) und Vera Schneider genießen trotz des 0:3 die Atmosphäre in der Gustavstraße.

© Michael Müller Svenja Bräuer (links) und Vera Schneider genießen trotz des 0:3 die Atmosphäre in der Gustavstraße.

)„Wir können nur gewinnen“, meint Horst Lager, der sich beim Weizenbier zusammen mit seinem Freund Peter Eckstein im Straßencafé in der Fußgängerzone auf das Spiel gegen Bayern München einstimmt. Den Ball flach halten, lautet für die passionierten Stehplatz-Abonnenten das Rezept gegen Enttäuschungen.

Am Biertisch in der schon am Mittag dicht bevölkerten Gustavstraße stößt Klaus Kriesch als Protagonist der SpVgg-Fangemeinde mit den Bayern-Fans Siegfried Mayer, Ferdinand Schreiner und Martin Grünbaum an: Eine Wiedersehensfeier unter befreundeten Fußballfans, die der Aufstieg möglich gemacht hat. Die drei Münchener jedenfalls sind gleichermaßen begeistert von Fürths Gastfreundschaft und Gerstensaft.

Ein Gänsehauttag ist es für Roland Kastner, der nahezu 20 Jahre im Tor der SpVgg Fürth gestanden hat und nun in seinem Sportgeschäft dem Ladenschluss und dem Auftaktspiel entgegenfiebert. 1977, erinnert sich der 55-Jährige, hat er im Nürnberger NN-Pokalspiel gegen Bayern München seinen Teil zum 5:4-Sieg der SpVgg beim Elfmeterschießen beigetragen, indem er Schüsse von Paul Breitner, Uli Hoeneß und Kurt Niedermayer hielt. Im Zeitungsbericht, der in einem Bilderrahmen über der Ladentheke hängt, wird er als „Stehaufmännchen“ und „Prachtbursche“ glorifiziert.

Neues Trikot

Hoch geht es im SpVgg-Fanshop am Kohlenmarkt her. Schon vor Geschäftsbeginn standen Fans an, um sich zum Spiel in den Vereinsfarben auszustatten. Renner ist das neue Heimspieltrikot. Der Nürnberger Gert Krauß beschenkt sich damit zur Feier seines 47. Geburtstags selbst und erzählt stolz, dass er im Oktober nach Fürth zieht.

Rund 50 Meter über seinem Kopf vollendet indes der Fürther Konzeptkünstler Thor van Horn sein „Großes Rasen-Kunst-Stück“. Am Kletterseil hängt er vor den weißen Plastikplanen, mit denen die Spitze des Rathausturms verhüllt ist und malt einen grünen Grashalm-Strich neben den andern. Am Infostand auf dem Kohlenmarkt wird es derweil Simone Paulus nicht langweilig, die dem Publikum die Kunstaktion anlässlich der neuen Ära des Fürther Rasensports erläutert und auf das Internet-Diskussionsforum unter www.facebook.com/kunst-rasenstueck hinweist.



Ausgelassene Stimmung herrscht unter einem Partyzelt am Praterweiher, wo ein Dutzend SpVgg-Fans mit Weißwürsten und Fassbier den Aufbruch in die neue Fußball-Ära feiern. Die „Gustavstraßenbande“, wie sich die Gruppe nennt, hat sich zum Einstand in der 1. Liga eigene Fan-Trikots zugelegt. Zwei Bayernfans, die auf dem Weg zum Stadion vorbeikommen, werden herzlich begrüßt. Entspannt ist das Klima zur Saisoneröffnung im siebten Fußballhimmel. Das freut auch den Fürther Polizeichef Peter Messing, der mit starken Einsatzkräften am Ronhof Position bezogen hat.

Obwohl die Züge mit anreisenden Bayernfans total überfüllt waren, kam es vor dem Spiel zu keinerlei Zusammenstößen. Präsenz zeigen, aber den Fans Freiräume lassen und das Gespräch suchen, lautet die Taktik der Polizei. Messing: „Wir behandeln die Gäste als Gäste und hoffen, dass es weiter so friedlich bleibt.“ Diese Einstellung teilt Gastronom Jens Graeser, der sich auf eine harmonische Feier in der Gustavstraße freut.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Mit dem Schlusspfiff dann steht fest, dass die SpVgg ihre erste Partie verloren hat. Die Fans nehmen es mit Fassung. Auf dem Heimweg vom Stadion erinnert man sich gegenseitig schnell daran, dass ja noch 33 Spiele bleiben.

Viele Fans zieht es an diesem besonderen Tag trotz der Niederlage in die Gustavstraße, wo bis zum Abend friedlich gefeiert wird. Darunter sind die Freudinnen Vera Schneider (28)und Svenja Bräuer (25), denen ihr erster Ronhof-Besuch in guter Erinnerung bleiben wird. "Ich fand, die Fürther waren tapfer", sagt Vera Schneider. Beiden gefällt die Atmosphäre in der Gustavstraße, "es ist voll schön, wenn so viele Fans auf einem Haufen sind und sich zusammen freuen".

"Wir werden noch öfters eins auf die Mütze bekommen", sagt Udo Schick, der statt Trikot eine Tracht in SpVgg-Farben trägt. Trotzdem werde das Kleeblatt in der Liga bleiben, "ich denke, der Mike kriegt das schon geregelt. Vielleicht haben wir Glück, und er bleibt noch über die Saison hinaus." Seine Frau Dagmar Schick lässt mit ihrem weiß-grünen Dirndl keinen Zweifel daran, welches Team sie leidenschaftlich unterstützt. Aber auch Bayern-Torwart Manuel Neuer ließ sie nicht ganz kalt: "Ich hab ihn bei EM-Spielen und WM-Spielen gesehen, und jetzt sehe ich ihn zehn Meter entfernt von mir!"

Neuer sei sympathisch, finden auch Monika Klamka und Roswitha Höfler vom SpVgg-Fanclub "Die Mülltonnenschlampen". Mit dem Rest der Bayern aber können sie nicht viel anfangen. Die Prominenz der Spieler kann sie nicht beeindrucken: "Das juckt uns nicht." Das Herz der Damen gehört der SpVgg Greuther Fürth - auch in der ersten Bundesliga.

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