Geige trifft Kauflust

25.10.2010, 14:56 Uhr
Geige trifft Kauflust

© Roland Fengler

Einen klangvollen Arbeitsplatz hat Mahr auf der Consumenta erwischt – direkt an der Medienbühne. Dort spielt gerade eine Musikgruppe. Sie ist meterweit weg. Und doch erfasst der Holzkörper der Geige die Schwingungen, man spürt sie deutlich, legt man sie auf die Handfläche. „Die Seiten und das Unterteil sind aus Ahorn, der obere Teil aus Fichte“, erklärt er. Aber nicht aus irgendeiner, sondern aus der, die 1200 Meter hoch wächst. Sie ist besonders hart, weil sie mangels Nährstoffen besonders langsam wächst, sagt Mahr, der in Bubenreuth zu Hause ist.

Geigen umgibt seit jeher etwas Mystisches, auch, weil sie so teuer sind. „In der Geigenhierarchie belegen die italienischen Geigen den ersten Rang, die französischen den zweiten, die deutschen den dritten.“

Den meisten fällt als Erstes der Name Stradivari ein, wenn sie an Geigen denken. 1500 Exemplare hatte der Geigenbaumeister Antonio Stradivari aus Italien im 17. und 18. Jahrhundert gebaut, 200 sind noch erhalten. Sie liefern sich in Sachen Wert ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Instrumenten seines Landsmannes und Zeitgenossen Giuseppe Guarneri. Laut unterschiedlicher Quellen soll eine Guaneri zuletzt, mit einem Kaufpreis von 7 Millionen Dollar, eine Stradivari um zwei Millionen Dollar überflügelt haben. „Manche Menschen nutzen Geigen heute als Geldanlage, statt Gold“, sagt Mahr. Beim Kauf sollte man aber einen Fachmann fragen, oft wurden Originale kopiert.

Doch warum nur sind die alten Geigen so teuer? „Es ist einfach“, sagt Mahr. „Je älter, desto besser ist der Ton. Das Holz arbeitet – zu seinem Vorteil.“ Dabei ist so ein Instrument gar nicht so anspruchsvoll wie man meint. „Da, wo Sie sich wohlfühlen, fühlt sich auch die Geige wohl“, sie toleriert wechselndes Klima oder Luftfeuchte. „Am besten ist die Geige in einem Etui aufgehoben.“

Bis zu 180 Arbeitsstunden, verteilt auf ein Dreivierteljahr, braucht Mahr, um eine Geige zu bauen. Neu gibt es sie ab 400 Euro, man kann sie aber auch leihen. Ein neues Phänomen: Chinesen kopieren die Geigen, sagt Mahr. „Doch da ist es wie beim Spielzeug, oft sind die Lacke giftig und der Klang schlecht.“

Über mangelnden Nachwuchs kann sich die Geigenbauer-Branche nicht beklagen, die dreijährige Ausbildung und die Plätze in den beiden Schulen in Mittenwald und Klingenthal sind begehrt. Die Bauer leben aber nicht nur von der Herstellung. „In großen Städten gibt es 20 bis 50 von ihnen, sie betreuen meist Orchester oder Musikschulen.“ Mahr selbst pflegt Instrumente der Nürnberger und Bamberger Symphoniker. Er liebt Geigen, für eine Ausstellung von 50 Stradivaris flog er für zwei Tage nach New York. „So was findet man sonst nie.“ Geige spielen kann er jedoch kaum: „Muss ein Vogelhändler fliegen können?“