Gunzenhausen: Eine Frau hat jetzt das Sagen

14.7.2016, 06:48 Uhr
Gunzenhausen: Eine Frau hat jetzt das Sagen

© Wolfgang Dressler

Eigentlich ist dieser personelle Wechsel bereits Geschichte. Löwe verließ das hiesige Finanzamt vor gut einem Jahr, um an die Spitze des größeren Finanzamts Hersbruck zu treten. Wienand amtiert seit dem 30. November 2015 als Leiterin des Finanzamts, das am Hindenburgplatz angesiedelt ist. Das Bemerkenswerte ist, dass erstmals eine Frau die Behörde, die für den ganzen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen zuständig ist, führt. In der staatlichen Finanzverwaltung, wo teils noch ungeschriebene alte Regeln gelten, war die Vorstellung, dass der Chef männlich sein müsse, tief in den Köpfen verankert. Das hat sich geändert.

Claudia Wienand, eine gebürtige Aschaffenburgerin, studierte Jura und verdiente sich an Finanzämtern in Nürnberg und Schwabach ihre Sporen. Sie setzt auf einen kooperativen Führungsstil, der auf Vertrauen gründet. Wichtig ist ihr, einen guten Service zu bieten. Dabei soll das Team aus Fehlern lernen, um Aufgaben noch besser zu machen als bisher. Mit dem Personalrat sucht sie ein gutes Auskommen. Die Ausbildung junger Menschen ist ihr ebenso ein großes Anliegen wie die Gleichstellung der Frauen und die Inklusion. Letzteres hat für sie einen direkten Bezug. Ihre Sehkraft ist sehr gering, was als Schwerbehinderung gilt. Sie geht offen mit diesem Handicap um. Sie habe gelernt, die neue, nicht einfache Situation anzunehmen und zu zielorientiertem Handeln überzugehen.

Die Amtsleiterin pendelt jeden Tag mit dem Zug von ihrem Wohnort Schwabach nach Gunzenhausen. Hier gefällt es ihr nach eigenen Worten weiterhin „sehr gut“. Sie verbindet mit Gunzenhausen, wie früher, den Gedanken an gutes Wetter und eine angenehme Zeit in schöner Landschaft. Aber natürlich wird sie vor allem jeden Tag mit der Arbeitswelt konfrontiert. Und die sieht so aus, dass auch am Hindenburgplatz 1 die Digitalisierung Einzug gehalten hat. Daneben ist das Haus noch immer eine Baustelle. Die energetische Sanierung ist weitgehend abgeschlossen, Innenarbeiten stehen noch an.

Das Amt hat eine Stärke von 80 Beschäftigten. 40 von ihnen sind 58 Jahre und älter, nur zehn sind jünger als 50 (Durchschnitt: 54 Jahre). Das heißt, dass die Mitarbeiter offensichtlich zufrieden sind und lange hier arbeiten, gerne bis zur Pensionierung. Das heißt aber auch, dass in einigen Jahren ein gewaltiger Generationswechsel vollzogen werden muss.

Gunzenhausen: Eine Frau hat jetzt das Sagen

© Fotos: Dressler

Niemand weiß das besser als Wolfgang Löwe. Sechs Jahre hatte er in Gunzenhausen das Sagen und erlebte eine „spannende und schöne Zeit“. Es habe viele Neuerungen gegeben, zum Beispiel „Elster“ (elektronische Steuererklärung). Die Finanzkasse und die Kfz-Steuerstelle seien verschwunden. Mit dem Personal machte Löwe gute Erfahrungen. „Alle zogen mit, wenn es darauf ankam.“

Mehr Steuern eingenommen

Die Hauptrede hielt Dr. Christoph Habammer, Vizepräsident des Landesamtes für Steuern. Er bescheinigte dem Finanzamt Gunzenhausen, bei den Kundenbefragungen gut abzuschneiden. Man habe hier ein wohlbestelltes Haus, ob unter dem früheren Chef oder seiner Nachfolgerin. Die jetzige Sanierung diene vor allem dazu, Heizenergie zu sparen. Der Staat investiere über eine Million Euro. Wie Habammer unterstrich, sorgen zwar Steuerbetrug und Erbschaftssteuer für Schlagzeilen, doch das Kerngebiet der Finanzverwaltung liege woanders, im Fall von Gunzenhausen bei der ganz normalen Veranlagung der Einkommenssteuer. Das Amt nehme jährlich 270 Millionen Euro an Steuern ein. Die Entwicklung in den ersten fünf Monaten 2016 sei mit plus zehn Prozent sehr erfreulich.

Habammer ging auch auf die Digitalisierung ein. Es komme darauf an, digital verarbeitbare Informationen zu erhalten. Ab 2017 sei der vollautomatische Steuerbescheid möglich. Dieser sei dann nur von der EDV geprüft und werde sich entlastend aufs Personal auswirken. Im ersten Jahr strebe man eine Quote von 25 Prozent an. Es werde daneben Steuerfälle geben, die das Amt gemäß dem Zufallsprinzip selbst prüfe, sowie Fälle, die man bewusst aufgreife.

Bürgermeister Karl-Heinz Fitz wies auf das neue Landesamt für Schule hin, das mehr Beschäftigte und damit mehr Steuerkraft mit sich bringen werde. Außerdem sei der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Mehr Umsatz bei den Geschäften bedeute mehr Steuereinnahmen. Stellvertretender Landrat Peter Krauß, selbst früher Finanzbeamter, bezeichnete in seinem Grußwort das Finanzamt als wichtigen Partner der Kommunen.

Ernst Rabenstein, Vorstandsmitglied der Steuerberaterkammer Nürnberg, sah Finanzverwaltung und Steuerberater in einem guten Dialog. Man sitze im gleichen Boot, wenn auch auf unterschiedlichen Seiten. Die engen Beziehungen wolle man pflegen, und die Erfahrungen mit Claudia Wienand seien hier in den ersten Monaten mehr als positiv. Personalratsvorsitzender Karl-Heinz Popp sagte, Umorganisation, Personalabbau und Gesetzesänderungen seien zu meisternde Herausforderungen. Für die Mitarbeiter habe sich eine höhere Arbeitsbelastung ergeben, und nicht jedes neue EDV-Programm habe gehalten, was es versprach. Die energetische Sanierung dauere schon eindreiviertel Jahre und komme hoffentlich bald zum Abschluss.

Ein weiterer Wechsel bahnt sich an: Der stellvertretende Amtsleiter Stefan Möldner ist nicht mehr in Gunzenhausen. Der junge Vater wechselt beruflich nach Nürnberg.

Die Feierstunde wurde musikalisch von Heinz Horst und Max Pfahler untermalt.

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