„Gut gemeint, aber schlecht gemacht“

29.3.2012, 16:00 Uhr
„Gut gemeint, aber schlecht gemacht“

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Ein Bildungspaket? Gabriele Sörgel ist die Missbilligung selbst durchs Telefon anzuhören. „Bestenfalls ist es ein Bildungspäckchen“, urteilt die Vorstandssprecherin der Stadtmission Nürnberg. Es sei vor einem Jahr zwar mit guten Absichten eingeführt worden, doch an der Umsetzung gebe es einiges auszusetzen. „Flickschusterei ist da betrieben worden“, kritisiert Sörgel.

Dabei nimmt die Zahl der beantragten Leistungen kontinuierlich zu, deutschlandweite Zahlen will Bundessozialministerin Ursula von der Leyen am Freitag vorstellen. In der Region Nürnberg berichtet man aber schon von zunehmendem Interesse: Im Kreis Neumarkt, so die Arge, steigt die Zahl stetig; in Fürth haben 2277 der rund 4000 bedürftigen Mädchen und Jungen, das Bildungs- und Teilhabepaket beantragt — vor einem halben Jahr waren es noch knapp 600 weniger.

Auch in Erlangen konnte man vor wenigen Tagen recht ordentliche Zahlen an die Landesregierung in München übermitteln: 1895 Anträge sind gestellt worden, 2700 wären möglich. Doch letztere Zahl, wirft Sozialamtsleiter Otto Vierheilig ein, sei ein theoretischer Wert. Denn er bezieht Kleinkinder oder Schulabsolventen mit ein, die praktisch keinen Nutzen aus dem Bildungspaket ziehen können.

Ein wahres Bürokratiemonster

Man habe sich sehr um die Umsetzung des Pakets bemüht, sagt Vierheilig, auch wenn er überzeugt ist, „dass es zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht ist“. Es sei zu überladen, ein wahres Bürokratiemonster. In Erlangen habe man drei Vollzeitkräfte einstellen müssen, um die Bearbeitung der Anträge bewältigen zu können. Zwar bekomme man dafür Zuschüsse vom Bund – „aber das deckt unsere Ausgaben nicht“. Auch Armin Hofmann von der Fürther Beratungsstelle Bildungspaket hat immer wieder mit dem hohen Verwaltungsaufwand zu kämpfen. Allerdings weist der Fürther auch auf den Nutzen des Programms hin: „350 Euro fürs Skilager? Das kann jetzt übernommen werden.“ So, sagt Hofmann, nehmen Kinder aus einkommensschwachen Familien am gesellschaftlichen Leben teil.

In Nürnberg, sagt der Leiter des Sozialamts Dieter Maly, „haben wir beschlossen, das Beste aus der Sache zu machen. Und wir sind auch ganz gut unterwegs“. 70 Prozent der Berechtigten stellten bereits einen Antrag, die meisten baten um Zuschüsse für Mittagessen oder Schulausflüge. Schleppend hingegen verläuft die Nachfrage nach Nachhilfestunden. Dort, sind sich alle Beteiligten einig, sind die Grenzen viel zu eng gesetzt: Nur, wenn die Versetzung gefährdet ist, kann ein Schüler Unterstützung beantragen.

„Dabei“, sagt Gabriele Sörgel von der Stadtmission Nürnberg, „ist es meist schon zu spät, wenn zwei Fünfer im Zeugnis stehen.“ Auch die zehn Euro, die jedem Kind pro Monat für Musikstunden oder Vereinsmitgliedschaft zustehen, hält sie für nicht ausreichend. „Damit kann man höchstens den Unterricht zahlen, ein Instrument aber nicht.“ Besser, sagt Sörgel, hätte man die 778 Millionen Euro, die bundesweit für das Paket vorgesehen sind, in die Bildungsinfrastruktur gesteckt. „Ganztagesschulen würden viele Probleme lösen.“