Haselnuss-Rösterei als neues Herzstück

12.9.2014, 06:00 Uhr
Haselnuss-Rösterei als neues Herzstück

© Foto: Hans-J. Winckler

„Der Gedanke, wie soll’s weitergehen, der war schon in der Brandnacht da“, sagt Fritz Stiegler. „Aber das Adrenalin im Körper hat überhaupt nicht zugelassen, dass ich viel gegrübelt hab‘.“ Am Morgen des 9. Februar stand der 52-jährige Landwirt vor dem Nichts. Der Hof der Familie, der seit 1670 im Cadolzburger Ortsteil Gonnersdorf existiert, war in seinen wesentlichen Teilen vernichtet. Als Auslöser wurde ein technischer Defekt an einem Klein-Traktor ausgemacht. Elf Wehren mit 130 Einsatzkräften hatten in der Nacht zuvor gegen die Flammen gekämpft. Nutzbar geblieben waren nur das Wohnhaus und die historische Schmiede.

Für die Familie gibt es seither eine neue Art von Zeitrechnung: Vor dem Brand. Und danach. Beim Gedanken an die verhängnisvolle Nacht ist es nicht zuletzt eines, was Fritz Stiegler immer wieder in den Sinn kommt: „Niemand wurde schwerwiegend verletzt und wir haben die Pferde in Sicherheit gebracht.“ Fünf Tiere, die in einer zum Hof gehörenden Stallung standen, hatte er im letzten Moment hinausbringen können.

Schnelle Entscheidungen

Mittlerweile sind viele Entscheidungen gefallen. Von jetzt auf gleich musste sich die Familie darüber klar werden, wie es weitergehen soll. Planungen, die sonst bestenfalls über ein ganzes Leben verteilt spruchreif werden, mussten innerhalb von Tagen festgeklopft werden. „Wir haben den Hof 1987 im Prinzip schuldenfrei von meinen Eltern übernommen“, erinnert sich Fritz Stiegler. Man sei gut eingerichtet gewesen.

Neuorientierung und Umstellung sind Stiegler vertraut. Vom Betrieb mit Milchkühen hatte er zunächst auf den Tabakanbau umgesattelt. Als die EU ihre Subventionen strich, entschied er sich vor acht Jahren, auf die Haselnuss zu setzen. Eine Zukunftschance, auf die auch Sohn Martin baut. Der 22-Jährige hat an der Fachhochschule für Landwirtschaft in Triesdorf gerade seinen Bachelor erlangt. Auch für ihn stand der Wiederaufbau des Hofes außer Frage.

„Aber wir wussten sofort, dass es unmöglich ist, alles genauso aufzubauen,wie es war“, sagt Fritz Stiegler. Als unbezahlbar und nicht mehr zeitgemäß sei diese Idee gar nicht weiter erwogen worden. Kompromisse waren unausweichlich. Die neue Anlage wird kleiner. Dazu kommt natürlich, dass die aktuellen Anforderungen an Statik oder Wärmedämmung nicht mit dem Hergebrachten zu vergleichen sind.

Schon wenige Tage nach dem Brand stieg der renommierte Fürther Architekt Peter Dürschinger in die Planung ein. Sein erster Eindruck: „Es sah aus wie nach einem Bombenangriff.“ Dürschingers Entwurf, der nun verwirklicht wird, nimmt Traditionelles wie das Konzept des fränkischen Vierseithofs und die vertrauten Satteldächer auf. Die klare Struktur setzt auf Materialien wie Kiefernholz für die Fassaden und Sandsteinmauern, die von den ehemaligen Stallgebäuden gesichert werden konnten. Integriert werden gleichzeitig die Forderungen, die ein moderner Betrieb stellt. Herzstück ist in Zukunft die Haselnussrösterei.

Martin Stiegler steht auf der Baustelle und erklärt: „Besucher können bald über ein großes Fenster aus dem angrenzenden Hofladen den Prozess der Haselnussverarbeitung verfolgen.“ Selbstverständlich soll gekostet werden, was hier Köstliches zubereitet wird: „Dafür wollen wir einen kleinen Kastanienhof anlegen.“

Noch im September muss die Rösterei zum Einsatz bereit stehen. Die Ernte markiert unerbittlich den Termin. „Wir konnten auf keinen Fall warten.“ Noch drängender war der Bau des Pferdestalls, der innerhalb von vier Wochen nach dem Feuer hochgezogen wurde. Stiegler ist dankbar: „Die Reiter, deren Pferde hier stehen, haben mitangepackt.“ Errichtet ist auch eine neue Heuhalle. Fünf Wochen lang brachen zwei Bagger die verkohlten Hof-Reste ab. Ein Posten, der alleine mit 130 000 Euro zu Buche schlug.

Schwierige Verhandlungen

Der Stiegler-Hof war versichert. Auch der Abriss. „Das kostet nicht viel mehr“, rät Stiegler anderen Landwirten. „Aber das muss unbedingt im Vertrag stehen.“ Die Verhandlungen darüber, welche Summen gezahlt werden, sind schwierig und ziehen sich hin. Von Seiten der Gebäudeversicherung sei man seit wenigen Tagen „auf einem guten Weg“. Die Kostenklärung durch die Inventarversicherung sei aber weiterhin ungewiss. Bewusst ist ein beträchtlicher Teil an Eigenleistung eingeplant. „Mehr als 4500 Helferstunden sind von uns inzwischen schon geleistet worden.“

Die ganze Familie steht unter extremer Doppelbelastung. Zur üblichen Arbeit kommt der Bau. Was selbst gemacht werden kann, wird übernommen. Ein Plan, der auch dank großartiger Unterstützung aufgeht, sagt Fritz Stiegler. „Freunde und Nachbarn helfen uns extrem viel.“ Bereits am Morgen nach der Brandnacht seien 20 Helfer da gewesen. In den folgenden Wochen habe man sich immer auf mindestens zehn bis 15 Leute verlassen können. „Das ist was ganz Wertvolles“, sagt er. 40 Mitglieder der Burgfestspiele packten mit an, als der alte Dachstuhl eingerissen werden musste.

„Ohne unbürokratische Hilfe der Mitarbeiter von Landratsamt und Gemeinde hätten wir die Planungsvorgaben in der extrem kurzen Zeit nie erfüllen können“, lobt Stiegler. Die Familie entschied sich ganz bewusst gegen die Annahme von Spenden. „Viele Leute haben uns Geld geben wollen, das war toll, aber wir wollten das nicht, weil wir vorausschauen und jetzt die Chance für die nächste Generation ergreifen möchten.“

Eines bleibt im Moment liegen: Stieglers Arbeit an einem neuen Roman. Gerade rechtzeitig abgeschlossen hatte der Autor sein Textbuch für das neue Musical der Burgfestspiele. Irgendwann, da ist er sich sicher, wird er das abgebrochene Manuskript aus der Schublade holen. „Wenn der Druck sich wieder a bissela löst . . .“

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