Hilfe nur im Notfall

6.5.2012, 09:00 Uhr
Hilfe nur im Notfall

© Willi Bauer

Sie haben seit Tagen Durchfall, wollen eine kleine Schnittwunde behandeln lassen oder rufen wegen ihrer Zahnschmerzen an: Ungefähr 40-mal klingelt jeden Abend, außerhalb der üblichen Sprechzeiten, das Telefon in der Integrierten Leitstelle, weil Anrufer meinen, sie könnten sich unter der Nummer 112 in solchen Fällen Hilfe holen. „Die Bevölkerung kennt den Unterschied nicht“, sagt Schichtführer Konrad Neuner. Der Notarzt sei für viele „der Doktor, der nach Hause kommt“.

Hausbesuch bei Bedarf

Doch das ist er eben nicht. Wenn es um Beschwerden geht, bei denen normalerweise auch der Hausarzt oder ein niedergelassener Facharzt weiterhelfen könnte, ist der Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns die richtige Anlaufstelle. Er ist unter der neuen Nummer 116117 rund um die Uhr zu erreichen. Hilfe vermittelt er jedoch nur außerhalb der üblichen Sprechzeiten, also an den Abenden, am Wochenende und an Feiertagen. Anrufer werden entweder an einen der diensthabenden Ärzte oder (in Nürnberg) an die Bereitschaftspraxis am Willy-Brandt-Platz verwiesen.

Falls nötig, kommt auch ein Mediziner zum Hausbesuch — allein in Nürnberg haben sieben Ärzte Fahrdienst. Einen Anspruch darauf gebe es jedoch nicht, betont Martin Eulitz, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). „Das ist kein Hausbesuchsdienst, sondern ein Bereitschaftsdienst.“

Mit der neuen, demnächst in ganz Deutschland einheitlichen Nummer gibt es laut Eulitz jedoch keine Probleme. Allein in der ersten Woche nach der Einführung am 16. April haben bundesweit 60000 Patienten die 116117 gewählt. Innerhalb von 20 Sekunden seien 83 Prozent der Anrufe entgegengenommen worden, sagt der Sprecher. Er betont das so, weil das bei der Einführung der alten, bayernweit einheitlichen Nummer (01805) 191212 vor neun Jahren anders war. Damals hingen viele Anrufer in der Warteschleife fest.

Im Unterschied zur alten Nummer, die sicherheitshalber noch freigeschaltet bleibt, ist die neue kostenlos, sie kann also auch von einem Handy ohne Guthaben angewählt werden. Und sie soll europaweit gelten. Deshalb beginnt sie auch mit den Ziffern 116, diese sind in der Europäischen Union für solche einheitlichen Telefondienste reserviert.

Patienten aus Nürnberg können laut Eulitz auch ohne vorheriges Telefonat in die Bereitschaftspraxis im Adcom-Center gehen. Dort sind neben Hausärzten auch Gynäkologen, Chirurgen oder Orthopäden und Kinderärzte im Einsatz. Längere Wartezeiten lassen sich dort allerdings nicht vermeiden, wie Ernst Schlereth betont, Regionalleiter der KVB für Franken.

Bei den Patienten sorgt das immer wieder für Ärger. Gudrun B. etwa kam neulich wegen akuter Herzprobleme in die Räume am Willy-Brandt-Platz und war überhaupt nicht zufrieden. Obwohl sie deutlich gesagt habe, dass sie unter Herzrhythmusstörungen leide, massive Beschwerden habe und deshalb auch in Behandlung sei, habe sie warten müssen. Ihr ganzer Körper habe vibriert, „das war ein beängstigendes Gefühl“. Doch trotz einer weiteren Nachfrage habe man sie vertröstet, sagt die 60-Jährige. „Das war unmöglich.“ Sie sei dann gegangen, die Beschwerden hätten sich wieder gelegt. Bei früheren ähnlichen Problemen habe nur eine Spritze geholfen.

Es müsse sich wohl um einen gefühlten Notfall gehandelt haben, vermutet dagegen Schlereth. „Unsere Mitarbeiter werden geschult, wenn es jemandem nicht gutgeht, wird der natürlich zuerst versorgt.“ Die KVB werde mit der Nürnbergerin reden, „wir wollen das aufklären“.

Auf noch mehr Aufklärung hofft auch die Leitstelle. Anrufer, die ohne Not die 112 wählen, werden auf die neue Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes verwiesen. „Wir könnten zwar die Gespräche auch weiterverbinden“, sagt der stellvertretende Leiter der Leitstelle, Thomas Löhr. „Aber das machen wir nicht, weil wir auf den Lerneffekt hoffen.“ Nur für akute Notfälle (und für die Alarmierung der Feuerwehr) sei die 112 reserviert. Unfälle, Bewusstseins-, Atem- oder Kreislaufstörungen, akute Lähmungen oder starke Schmerzen nennt der Notarzt-Indikationskatalog.

Gegen einen Teil der Fehlanrufe, die wertvolle Arbeitszeit binden, kann aber selbst noch mehr Information wenig ausrichten. Rund 200-mal am Tag klingelt laut Löhr in der Leitstelle das Telefon, weil die 112 trotz Tastensperre funktioniert und das Handy in der Hosentasche die Nummer unbemerkt vom Besitzer versehentlich wählt.

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