Hunderte Flüchtlinge kommen im Nürnberger Land unter

26.11.2014, 09:40 Uhr
Hunderte Flüchtlinge kommen im Nürnberger Land unter

© S. Fuchs

"Darüber bin ich sehr froh", sagte Landrat Armin Kroder bei einer Informationsstunde des Kreistags-Ausschusses für soziale Fragen.Die Flüchtlingswelle aus den Krisengebieten in Syrien, dem Irak, der Ukraine und vielen Ländern Afrikas hat 2014 lang vergessene Ausmaße angenommen - mit rund 200.000 Menschen, die in Deutschland Schutz vor Krieg, Gewalt und Vertreibung suchen.

Wochenlang beherrschten völlig überfüllte Aufnahmelager die Schlagzeilen, darunter auch Zirndorf. Auf dem Gelände der eigentlich auf 600 Flüchtlinge ausgelegten Erstaufnahmeeinrichtung drängten sich zeitweise 1700 Menschen, aktuell müssen dort 2100 Asylanträge bearbeitet werden.

Notunterkünfte für rund 5000 Flüchtlinge

Die Regierung von Mittelfranken verpflichtete deshalb die Städte und Kreise im Bezirk, Notunterkünfte für rund 5000 Flüchtlinge zu errichten. Im Nürnberger Land entstanden so im Lauf des Jahres 20 Unterkünfte mit derzeit 610 Plätzen, davon neun im Altlandkreis Hersbruck (265 Plätze). Bis Mitte 2015 sollen zehn weitere mit insgesamt 557 Plätzen dazukommen - unter anderem in Vorra, Happurg, Hersbruck und Rupprechtstegen

"Ordentliche Kapazitäten", befand Wolfgang Röhrl, Abteilungsleiter Sozialwesen am Landratsamt, "aber auch dringend erforderlich". Immerhin kommen jede Woche zehn neue Flüchtlinge in den Landkreis. Die Renovierungsarbeiten an der Gemeinschaftsunterkunft Vorra gehen gut voran, berichtete Röhrl den Ausschussmitgliedern, während "wir nicht wissen, wohin der Weg in Rupprechtstegen geht".

Betreuung ist essentiell

Unterkünfte sind das eine, ebenso wichtig ist für die Asylbewerber freilich die Betreuung. Und auch hier hat der Landkreis die anfänglichen Widrigkeiten umschifft. Mit Susanne Müller (seit September 2013), Luisa Rafalski (seit Mai) und Norbert Ploss (seit Oktober) haben Diakonie und Caritas inzwischen drei hauptamtliche Asylsozialberater im Einsatz, die die Neuankömmlinge bei ihren Asylverfahren oder beim Kontakt mit Behörden unterstützen, Fragen zur Sozialhilfe oder dem Ausländerrecht beantworten oder bei so alltäglichen Dingen wie Kinderbetreuung, Schule, der Wohnungs- und Arbeitssuche (etwa als Ein-Euro-Jobber im Neumarkter Lebmit-Laden der Diakonie) oder dem Deutschkurs helfen. Eine vierte Stelle ist bereits beantragt, der (positive) Bescheid sollte demnächst vorliegen.

"Überrascht" sei er gewesen, als der Freistaat seinen Zuschuss zu den Personalkosten der Asylsozialberatung auf 80 Prozent erhöhte, sagte Diakonie-Geschäftsführer Detlef Edelmann. Für den restlichen Betrag kommen Diakonie und Caritas sowie der Landkreis mit einem freiwilligen Zuschuss auf. Auch wenn die Sozialverbände ihren von Caritas-Geschäftsführer Michael Groß auf rund 60.000 Euro bezifferten Beitrag selbst kaum stemmen können, eine gute Lösung und doch auch eine gefährliche: "Die Regierung scheint dazu überzugehen, sich aus der Finanzierung zurückzuziehen, wenn kommunale Träger einsteigen", warnte Edelmann: "Da müssen wir sehr gut aufpassen, uns nicht gegeneinander ausspielen zu lassen." Zumal die Asylsozialberatung ja ureigenste Aufgabe des Staates ist.

Während die Politiker vollmundig von "Willkommenskultur" sprechen, wird ein großer Teil dieser Aufgaben derrweil von Ehrenamtlichen übernommen. Der Zuspruch der Bevölkerung sei so "gewaltig" (Edelmann), dass die Diakonie inzwischen aufgehört hat, um Sachspenden zu bitten.

Freistaat nicht aus der Pflicht nehmen

Andererseits wollen die ehrenamtlichen Helfer, in die "wir großes Vertrauen haben" (Edelmann), aber auch von den drei "Profis" betreut und begleitet werden. Weil der Flüchtlingsstrom auf absehbare Zeit wohl nicht abschwellen wird - für 2015 rechnet Deutschland mit noch einmal 230 000 Menschen, die hier Zuflucht suchen - gilt es nun, die geschaffenen Strukturen und Hilfsangebote "zu verstetigen", sagte Edelmann.

Dazu müsse der Freistaat zunächst verlässliche Rahmenbedingungen schaffen und beispielsweise klar sagen, welche Leistungen freiwillig sind und welche nicht: "Erst dann können Kommunen oder Kirchengemeinden den Menschen vor Ort konkrete und verlässliche Angebote machen."

Landrat Kroder gab seinen Kreistagskollegen schließlich noch einen alternativen Denkansatz mit auf den Weg: "Vielleicht sollten wir die Flüchtlinge als Chance begreifen - als junge, interessante Menschen, die uns in Zeiten des dauernd beklagten demografischen Wandels helfen können."

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