Kritik an Rodung und Bau im Steiner Rednitzgrund

20.10.2015, 06:00 Uhr
Kritik an Rodung und Bau im Steiner Rednitzgrund

© Foto: Beate Dietz

Dass auf dem Grundstück am Neuwerk nahe des Freilandterrariums überhaupt ein Haus steht, war bis vor kurzem vom unterhalb verlaufenden Weg kaum zu sehen. Das steile Gelände, das die Steinerin Jutta Heller erworben hat, war so eingewachsen, dass das alte Gebäude nicht zu erkennen war. Nun steht eine Art Rohbau auf dem Areal, jede Menge Baumaterial ist dort gelagert, Fahrzeuge parken auf dem erst jüngst geschotterten Eingangsbereich. Zahlreiche Bäume wurden abgesägt, die Sicht auf den Wiesengrund aus dem höher gelegenen Haus ist damit unverstellt. All das zusammen macht Steiner Bürgern große Sorgen, denn das Gelände liegt im idyllischen Landschaftsschutzgebiet am Rednitzgrund.

Zunächst, erklärt die Eigentümerin Jutta Heller, sei nur eine Sanierung des Bestandsgebäudes geplant gewesen. Dafür ist keine Baugenehmigung nötig. Da die Schäden jedoch größer waren als erwartet, habe Mauerwerk erneuert werden müssen und sie habe einen Bauantrag bei der Stadt Stein eingereicht. Wie Bürgermeister Kurt Krömer bestätigt, ist dieser von der Kommune nicht befürwortet worden. Derzeit liegt der Antrag zur Prüfung beim Landratsamt. Genutzt werden, so Heller, soll das Haus ausschließlich für private Zwecke.

Für die Bauaufsicht ist das Landratsamt zuständig, das inzwischen zwei Mal vor Ort war und einen Baustopp und Zwangsgeld verhängt hat. Jutta Heller räumt ein: „Derzeit dürfen wir die Bauarbeiten nicht fortsetzen.“ Der Sprecher des Landratsamtes Christian Ell betont, dass die Bauaufsicht der Behörde am Neuwerk immer wieder kontrolliere und nach dem zweiten Baustopp keinerlei Fortschritt am Gebäude oder Aktivitäten festgestellt habe.

Wie ist es aber möglich, dass auf einem Gelände, das unter Schutz steht, größere Eingriffe erlaubt sind? Das fragten sich Vertreter von Bund Naturschutz (BN), SPD-Mitglieder und Stadträte der Grünen bei einem Ortstermin. Es gibt eine Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde beim Landratsamt dafür.

Andreas Leßmann, Chef des behördlichen Naturschutzes, teilte einem besorgten Bürger mit, er halte „die Befreiung von dem Rodungsverbot für zulässig“ und er habe sie mündlich erteilt. In einer Presseerklärung aus dem Landratsamt wird außerdem festgestellt, dass es sich bei einigen der Pappeln um „verkehrsgefährdendes Totholz“ gehandelt habe.

Angesichts des Freiflächengestaltungsplans, den die Eigentümerin eingereicht habe, seien die Maßnahmen sinnvoll. Leßmann zählt die Vorzüge auf, die sich durch die Arbeiten auf dem Areal ergeben: Dank der Ersatzpflanzungen werde die Vegetation auf dem Grundstück in den nächsten Jahren naturnäher, „denn standortfremde und teilweise nicht mehr verkehrssichere Pflanzen werden durch heimische ersetzt“. Wie es in der Presserklärung zusätzlich heißt, würden insbesondere die geplante Anpflanzung von Eichen das Gelände ökologisch aufwerten.

„Botanischer Rassismus“

Arno Pfeifenberger, Vorsitzender des Steiner BN, sieht hingegen in der amtlichen Begründung einen Fall von „botanischem Rassismus“: „Mir ist schleierhaft, wie das Landratsamt von minderwertigen Bäumen sprechen kann. Pappeln werden bis zu 200 Jahre alt und haben ebenso ihren ökologischen Wert wie andere Gehölze.“

Gemeinsam treibt die Naturschützer die Befürchtung um, dass damit eine Änderung der Landschaftsschutzverordnung wie jüngst am Jagdweg in Stein einhergehen könnte. „Das gebe doch ein tolles Baugebiet hier“, mutmaßt Pfeifenberger und betont deshalb: „In Stein sind wir in diesem Punkt gebrannte Kinder.“

In einem Brief an Landrat Matthias Dießl macht Pfeifenberger seinem Ärger über das Schreiben Leßmanns Luft. Er lese die Begründung für die Erlaubnis zum Ansetzen der Säge so: „Die Rodung der Bäume ist rechtmäßig, weil der Leiter der Unteren Naturschutzbehörde der Maßnahme zugestimmt hat.“ Und weiter schreibt er: „Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier nicht mit dem Maß gemessen wird, das für Normalbürger gilt. In anderen Fällen sind die Auflagen im Landschaftsschutzgebiet durch die Untere Naturschutzbehörde überaus rigoros.“

Skepsis bei Ortstermin

Als sich beim Ortstermin die Gruppe am Gartenzaun des Anwesens versammelt, stößt auch der Partner der Grundstückseigentümerin, Siegfried Hochstein, dazu. Er erläutert, dass die Pappeln aufgrund ihres Alters nicht mehr sicher gewesen seien. Außerdem, so räumt er ein, seien auch einige Fichten abgeholzt worden. Andere Bäume wurden eingekerbt und werden nach und nach absterben. „Ringeln“ ist dafür der Fachbegriff, auch dafür hat der amtliche Naturschutz seine Erlaubnis erteilt.

Die Eingriffe, so Hochstein, wirkten zwar massiv, aber: „Das Grundstück soll entsprechend dem Landschaftsschutzgebiet aufgewertet werden.“ Danach sehe es zwar momentan nicht aus, in zwei bis drei Jahren werde dies jedoch ganz anders sein, versucht er die Kritiker zu überzeugen. Dazu wollen Eigentümerin Heller und ihr Partner Hochstein künftig eine Infotafel an ihrem Zaun aufstellen, die die Maßnahme Interessierten erläutert. Darauf soll unter anderem erklärt werden, dass sie zur Landschaftspflege eine seltene Wildschafrasse einsetzen möchten.

Hochsteins Argumentation verfängt jenseits des Zauns aber wenig. Ein Bürger aus dem nahen Deutenbach befürchtet eher, hier würden Tatsachen geschaffen. Und Helga Engels, Mitglied der Steiner SPD, kritisiert, die Naturschutzbehörde knicke stets viel zu rasch ein, „sobald wirtschaftliche Bau-Interessen ins Spiel kommen“.

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