Brückenbauer zwischen zwei Welten

12.2.2016, 18:00 Uhr
Brückenbauer zwischen zwei Welten

© Foto: Helmut Ölschlegel

Ein Dichter wollte er immer sein, ein Brückenbauer ist er geworden. Nevfel Cumart vermittelt seit drei Jahrzehnten zwischen der Türkei und Deutschland, Orient und Okzident, Islam und Christentum, zwischen Einheimischen und Zugereisten. „Ich mache das gern“, sagt er. „Außerdem ist das ja irgendwie mein Schicksal, dem kann ich nicht entgehen.“

Nevfel Cumart ist selbst ein Musterbeispiel für gelungene Integration: 1964 wurde er in Lingenfeld (Rheinland-Pfalz) geboren, im niedersächsischen Stade wuchs er auf. Er kommt aus ganz einfachen Verhältnissen, seine Eltern gehörten in der Türkei zu einer arabischen Minderheit und kamen als Gastarbeiter nach Deutschland. Die Außenseiterrolle ist Cumart also seit seiner Kindheit vertraut. Er hat das Beste daraus gemacht und ist hellhörig geworden für die Feinheiten der Sprache, die Widersprüche der Religion und die Bruchstellen in der Gesellschaft.

Gefragter Gesprächspartner

1986 kam Cumart nach Bamberg, um Turkologie, Arabistik, Iranistik und Islamwissenschaft zu studieren. Längst er ein viel gefragter und viel gereister Gesprächspartner, wenn es um Fragen der Integration und des Islam geht. Er hält Vorträge und Seminare für Jugendliche und Erwachsene, er bietet kreative Schreibwerkstätten an, doch am liebsten sind ihm Autorenlesungen. Vor kurzem erst hat er den Sammelband „Die Worte aber bleiben“ herausgegeben, der das Ergebnis seiner Arbeit mit bayerischen Schülern ist. Vertreten ist auch das Nürnberger Pirckheimer-Gymnasium, an dem Cumart seit Jahren kreatives Schreiben lehrt.

Auch mit jungen Flüchtlingen arbeitet Cumart in verschiedenen Städten: „Schreiben ist für viele eine Art Therapie und eine Möglichkeit, leidvolle Erfahrungen zu verarbeiten.“

Für seine Verdienste als Literatur- und Kulturvermittler wurde Cumart 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz am Band ausgezeichnet. Darauf ist Cumart, der lange um die deutsche Staatsangehörigkeit kämpfen musste, besonders stolz.

Die aktuelle Flüchtlingsdiskussion verfolgt er sehr gelassen: „Nach all den Jahren hauen mich Rückschläge nicht mehr um. Sicher ist, dass die Silvester-Ereignisse in Köln und der ungebremste Zustrom von Flüchtlingen ein gefundenes Fressen für reaktionäre Scharfmacher sind. Schon oft habe ich gedacht, dass es kaum noch schlimmer kommen kann: Nach den Anschlägen in den 90er Jahren auf Ausländer in Solingen, Mölln und Hoyerswerda, nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 oder letztes Jahr in Paris. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich der christlich-islamische Dialog positiv entwickelt.“

Cumart muss leider allzu oft feststellen, dass die Fronten verhärtet sind. „Ich fürchte, dass ein Großteil der Deutschen eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber dem Fremden hat. Leute wie ich werden gerne darauf reduziert, dass sie Muslime sind.“ Seine Arbeit ist in letzter Zeit schwieriger geworden, manchmal muss er seine Islam-Vorträge unter Polizeischutz abhalten. „Ich werde von zwei Seiten attackiert“, erklärt Cumart. „Auf der einen Seite von Salafisten, auf der anderen Seite von Pegida-Anhängern. Das Honorar, das ich für die Vorträge bekomme, reicht als Schmerzensgeld für die zunehmend persönlichen Attacken, kaum aus.“ Doch klein beigeben will er nicht, auch wenn besonnene, kritische Stimmen in der lautstark geführten Diskussion leicht untergehen: „Man darf nicht aufhören, miteinander zu reden, Missverständnisse zu erklären und Sachverhalte zu differenzieren. Schweigen und tatenlos zuschauen, wie die Lage eskaliert, ist für mich keine Alternative.“

Cumart verdient zwar als Vortragsreisender und Kulturvermittler seine Brötchen, die Poesie aber bleibt seine Passion: „Ich bin im Herzen ein Dichter, um mich selbst, Gott und die Welt besser zu verstehen.“ Knapp 20 Lyrikbände hat der Wahl-Bamberger bisher veröffentlicht. Er schreibt in deutscher Sprache – „das ist die Sprache, die ich am besten beherrsche“.

Orientalische Sprachbilder

Doch auch in der Literatur ist Nevfel Cumart ein Wanderer zwischen zwei Welten, seine Sprachbilder sind oft orientalisch geprägt: „Ich habe Hermann Hesse und Ingeborg Bachmann gelesen, aber auch Hafis und Nazim Hikmet.“

Eines seiner neuen Gedichte („Zweiheimisch“) bringt es auf den Punkt: „mit einem bein / bin ich / in bamberg / in adana / mit dem anderen // es geht / so gut / es eben geht.“

Nevfel Cumart: Feuerzunge. Gedichte. Grupello Verlag, Düsseldorf, 112 Seiten, 14,90 Euro.

Nevfel Cumart (Hg.): Die Worte aber bleiben. Bayerische Schülerinnen und Schüler schreiben über Gefühle, Hoffnungen, ihr Leben und die Welt. Edition Hübscher, Bamberg. 180 S., 15 Euro.

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