"Butcher‘s Crossing" ist eine Sensation

19.2.2015, 18:37 Uhr

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Es ging voran in Kansas. Mitten drin in den Vereinigten Staaten, war man noch nicht richtig dabei, höchstens pro forma seit 1854. Der Rahmen war abgesteckt und die Abenteurer kamen. Die nichtindianische Einwohnerschaft verzehnfachte sich in kürzester Zeit. Provisorische Bretterstädte wuchsen nah der Prärie um Saloons herum, auch das leichte Gewerbe boomte, denn die Männer hatten es schwer und brauchten Trost. Wälder und Natur wurden als Alternative propagiert und so mancher der Neuankömmlinge wird seinen Thoreau in der Tasche gehabt haben oder seinen Ralph Waldo Emerson.

Letzteren hat Will Andrews während seines Studiums in Harvard leibhaftig erlebt. Auch sein Vater, obwohl Laienprediger, riet mehr zur Emerson-Lektüre als zur Bibel. Also musste er los in den mittleren Westen mit 1400 Dollar in der Tasche und fixen Ideen im Kopf von den Verlockungen der Wildnis. So kommt der Glücksritter aus Boston an in Butcher’s Crossing, das mit einem Blick zu erfassen ist: sechs grob gezimmerte Gebäude, ein Hotel, Zelte und Staub, Staub, Staub. . .

McDonald heißt der Mann, der vor Ort seine Geschäfte mit Büffelfellen macht. Er will ihn vom Fleck weg als Prokuristen einstellen: „Hier stehen die Zeichen auf Zukunft!“ Nur fehlen Männer mit Weitblick und Visionen. Alle wollen das schnelle Geld und die Action der richtigen Kerle statt der Pfennigfuchserei des Büros. Auch Will.

Nicht einmal der nackte Körper Francines kann ihn halten. Die Verlockungen Millers sind stärker. Er ist seit vier Jahren hier. Mit ihm, zwei weiteren Abenteurern und seinem Geld macht Will sich auf den Weg in die Colorado Rockies, wo Miller von riesigen Büffelherden weiß, die noch nicht dem gnadenlosen Trott des Gemetzels zum Opfer gefallen sind.

Eine moderne Odyssee hebt an, denn der Weg ist weit und aus den geplanten sechs Wochen werden viel, zu viele Monate. Sie schneien ein, müssen im provisorischen Unterstand überwintern ohne Wasser und ohne die Kleider zu wechseln.

Gruppendynamik entsteht nach dem Massaker an den Tieren, überall Kadaver und Gestank. Schließlich verlieren sie alles auf dem Rückweg und auch der Ort, den sie endlich erreichen, ist ein anderer geworden nach Wills härtestem Lehrjahr des Lebens.

Prärie-Kammerspiel

John Williams erzählt präzise, brutal und im stoischen Rhythmus der Ereignisse, wie Männer in den Aufbruchjahren eines Landes wie im Delirium zu Tieren werden. Die Details sind so genau gezeichnet in diesem Prärie-Kammerspiel, dass man die Atmosphären zu riechen und zu schmecken glaubt, dass man das Entsetzen vor diesem Naturraubbau und davor, was er aus den Menschen macht, wie mit Händen greifen kann. Man liest ein verstörendes Gleichnis über die Vergeblichkeit allen Tuns, man staunt über die Wucht ganz großer Literatur.

John Williams: Butcher’s Crossing. Roman aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben. Deutscher Taschenbuch Verlag. 366 Seiten, 21,90 Euro.

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