Charismatische Kratzbürste

16.9.2009, 00:00 Uhr
Charismatische Kratzbürste

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Das Fürth-Festival, das Brückenfestival, das «Heimspiel«-Songwriter-Treffen im Club Stereo, das Schwabacher «Krisenfest« oder das Klüpfel-Open-Air - es waren eine ganze Menge Bühnen, auf denen Lena Dobler in den letzten Monaten stand, nur bewaffnet mit einer billigen E-Gitarre und ihren Liedern, die sich einem ohne Umwege in Hirn und Herz schrauben, ohne sich anzubiedern. Der BR-Zündfunk kürte sie zum Monats-Highlight und Tomte-Sänger Thees Uhlmann schwärmte: «Ich glaub‘, das ist das beste, was ich jemals gehört habe im Rahmen meiner Tätigkeit für den Bayrischen Rundfunk. Wenn jemand in diesem Alter schon solche musikalische Qualität und Stilsicherheit an den Tag legt, dann ist das ganz schön beachtlich.«

"Mein Weg ist eher Punk als Jazz

Beachtlich an Lena Dobler ist auch, mit welcher jugendlichen Unbekümmertheit sie aus ihren Schwächen Kapital schlägt: Gitarre hat sie nie «richtig« gelernt, stattdessen hat sie sich eine Do-it-yourself-Technik erarbeitet, bei der an der linken Hand meist nur der Zeigefinger und an der rechten ausschließlich der Daumen zum Einsatz kommt – ein Graus für jeden Gitarrenlehrer, aber ein unverwechselbares Element ihres Stils.

«Mein Weg ist eher Punk als Jazz«, bestätigt Lena beim Gespräch in einer Fürther Kneipe und nennt Bands wie «Slut« oder «Bloc Party« als Einflüsse. Ihre grundsätzlich deutschsprachigen Texte zeugen von einem hellwachen Geist, der jung genug ist für Frechheit, Charme und ungefilterte Wut und alt genug für das Quentchen ironischer Distanz, das einem erlaubt, über sich selbst zu lachen. «Waren wir nicht alle mal jung? Hey, so schlimm waren wir nie«, persifliert sie in ihrem Lied «Die Jugend« die ewigen Rituale des Generationskonflikts.

«Die Jugend ist halt immer der Buhmann«, sinniert sie halb spöttisch, halb resigniert, «entweder sie ist nicht mehr so hart oder viel härter als früher«. Wenn man es sowieso keinem recht machen kann, dann kann man auch mal eine dicke Lippe riskieren: «Lass uns kurz und schmerzlos die Welt erobern, wir haben es drauf, wir sind bescheiden genug«, singt sie in «Kurzes Salut«, einem der Songs auf dem Album «256 Graustufen«, dem dritten, welches sie in Eigenregie am heimischen Rechner produziert hat.

Experimente mit elektronischen Verfremdungen

Auf ihren Aufnahmen experimentiert sie mit elektronischen Verfremdungen, singt gerne mehrstimmig und erweitert ihr Instrumentarium um Keyboard oder Bass. Dabei macht der Kontrast zwischen der sperrigen Schroffheit des Sounds und der fast schon naiven Eingängigkeit ihrer Melodien einen wesentlichen Reiz der Musik aus.

«Mainstream finde ich eklig«, sagt die Künstlerin, deren Pseudonym diese Einstellung untermauert: «Interferenzen sind Störungen, wie die Störgeräusche im Radio. Der Name «interference.here.de« stammt aus der Zeit, als ich noch englisch sang. Ich weiß, der ist ein Monster, aber ich mag mich nicht davon trennen.« Doch aller textlichen und musikalischen Kratzbürstigkeit zum Trotz sieht sie sich als Optimistin.

Demnächst wird Lena von Fürth nach Regensburg ziehen um dort Medienwissenschaften zu studieren. Nicht weil sie so begeistert von den Medien wäre, sondern «weil ich hoffe, dann die Propagandamaschinerie zu durchschauen.«

Der Musik wird sie weiterhin treu bleiben. «Das ist ein Teil von mir, der sich gefestigt hat.« Das hört man.