Chefdirigent Shelley verlässt das Orchester

5.10.2015, 17:59 Uhr
Chefdirigent Shelley verlässt das Orchester

© Michael Matejka

Die „schiere Menge an internationalen Verpflichtungen“ Shelleys sei der Grund dafür, dass die Symphoniker „trotz größter Bemühungen“ nicht mehr in der Lage gewesen seien, Shelley noch länger an Nürnberg zu binden, sagte Hemmer der NZ. Erst am 1. September dieses Jahres hat Shelley seinen Posten als Musikdirektor des National Arts Center Orchestra im kanadischen Ottawa angetreten, wobei er als Nachfolger des israelischen Dirigenten – und Geigers – Pinchas Zukerman dort nicht nur für Konzert-, sondern auch für Opernaufführungen verantwortlich sein wird.

Darüber hinaus hat der 35-jährige Brite, der am kommenden Donnerstag Geburtstag feiert, seit kurzem auch noch in seiner Heimatstadt den Posten als Principal Associate Conductor des Royal Philharmonic Orchestra London übernommen.

Die Konsequenz wäre gewesen, dass Shelley in Nürnberg „nur noch sporadisch“ anwesend wäre, so Hemmer. Seinen bis Sommer 2017 laufenden Vertrag werde der „ultrabeliebte“ Brite aber erfüllen, betonte der Intendant – mit einer besonderen Schlusspointe: „Auf Shelleys letzten Arbeitstag in Nürnberg fällt das Klassik Open Air 2017, das wird er selbstverständlich noch dirigieren.“

So beginnt mit dem Auftakt der Saison 2015/2016 nun auch der lange, sich über zwei Jahre erstreckende Abschied der Symphoniker und ihres Publikums von Shelley. Welche Qualitäten der Engländer mitbringt, der seit der Saison 2009/10 den Chefposten in Nürnberg innehat, demonstrierte das Konzert am Sonntagnachmittag deutlich.

Shelley bringt jenen Schuss britische Eleganz, jenes Charisma und Showgespür mit, das ein mit der besser ausgestatteten Staatsphilharmonie Nürnberg und den Tourneeauftritten bekannter internationaler Klangkörper konkurrierendes B-Orchester wie die Symphoniker dringend brauchen. (Die Kategorie B bezieht sich dabei auf die Eingruppierung in den vom Deutschen Bühnenverein und der Deutschen Orchestervereinigung ausgehandelten Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern.)

Wenn er wie am Sonntag den vierten von Edward Elgars Militärmärschen „Pomp and Circumstance“ dirigiert, dann gelingt ihm das mit dem genau richtigen Zug beim Tempo, es klingt lässig, selbstbewusst und funkelt wie bei den berühmten Londoner „Night of the Proms“-Konzerten. Die Nürnberger Klassik-Open-Air-Konzerte können inzwischen sogar mit mehr Live-Publikum beeindrucken – auch vor dieser Menschenmenge überzeugt Shelley mit Lockerheit und Charme als Entertainer.

Und er hat viel Spürsinn für das emotionale Potenzial, das gerade in den Werken der Romantik schlummert: In Elgars Konzertouvertüre „In the South“, das von einem Urlaub des Komponisten im italienischen Alassio inspiriert wurde, spornt Shelley das Orchester zu einem prachtvoll glänzenden Klang an und entlockt ihm ebenso sicher die Poesie einer schlichten volkstümlichen Melodie. Mit solch einem Motivator am Pult klingen die Symphoniker gleich ein bisschen größer als sie in Wirklichkeit sind.

Vor der Pause gelang mit der italienischen Pianistin Enrica Ciccarelli in Edvard Griegs a-Moll Klavierkonzert eine überzeugend abgestimmte Mischung aus Schumanns vorwärtsstürmendem Optimismus und nordisch gefärbter Poesie. Letztere ließ Shelley gleich zum Konzertbeginn mit Griegs Konzertouvertüre „Im Herbst“ mit scharf artikulierendem Blech und skandinavischer Tanzlust aufblühen.

Es sind diese Qualitäten Shelleys, die den Symphonikern Einladungen u. a. nach Wien, Prag, Mailand oder China einbrachten. Die Suche nach dem Nachfolger hat schon begonnen, die Gastdirigenten der nächsten Monate werden unter besonderer Beobachtung stehen.

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