Debatte ums alte Komm: Hochglanz statt Alternativkultur

2.10.2016, 10:52 Uhr
Debatte ums alte Komm: Hochglanz statt Alternativkultur

© Foto: Sippel

"Wir müssen reden" - sprach der Nürnberger Musikverein und lud zur Podiumsdiskussion in seine Heimat, das Künstlerhaus. Thema: Der anstehende dritte Bauabschnitt und wie er das einstige Komm verändern könnte.

Ganz abgesehen von den Fakten, die im Hinterzimmer des Künstlerhauses auf den Tisch kamen, wurde an diesem Abend eines klar: Das ehemalige Komm in der Königstraße ist für viele eine Herzensangelegenheit. Die Diskussionen, die jetzt geführt werden, hörten sich allerdings auch schon vor 20 Jahren nicht viel anders an.

Ex-Komm-Leiter Michael Popp gibt sich "resignativ" angesichts dessen, was aus dem ersten selbstverwalteten soziokulturellen Zentrum in Deutschland (1973-1997) geworden ist: Der Geist der Selbstverwaltung, der gelebten Demokratie, der Jugend, die sich selbst erfahren und austoben darf, sei "fahrlässig preisgegeben worden." Man erlebe jetzt den späten Vollzug der damaligen CSU-Politik: "Dann haben wir hier zwar ein schönes Kulturzentrum, aber eins, das ist wie alle anderen." Auch Hermann Glaser, von 1964 bis 1990 Nürnberger Kulturreferent, ist ein klein wenig nostalgisch: "Zukunft braucht Herkunft". Bei allen Zukunftsplänen solle man die Geschichte des Hauses doch immer würdigen.

Aber der letzte klägliche Rest dieses alten Geistes ist in Gefahr - sagt auch der Musikverein, der zu der von Tobias Lindemann von Radio Z moderierten Diskussion geladen hatte, die von dem Sender mitgeschnitten wurde und demnächst gesendet wird. Grund ist der dritte Bauabschnitt, der in dem 1910 errichteten denkmalgeschützten Gebäude ansteht und der Öffentlichkeit noch nicht im Detail vorgestellt wurde. Am 21. Oktober wird er dem Stadtrat zur Bewilligung vorgelegt. Eins ist aber gewiss: Er ist, wie man heute sagt, alternativlos. "Sonst droht die Schließung", stellt Matthias Strobel, Leiter des KunstKulturQuartiers, zu dem das Künstlerhaus gehört, mehrmals klar. Mangelhafter Brandschutz, mangelhafte Belüftung, mangelhafte Schallisolierung – das sind die nur einige der Baustellen.

"Für bürgerliches Publikum"

Doch um diese Tatsache geht es dem Musikverein ganz offensichtlich gar nicht und so wird bisweilen etwas aneinander vorbei geredet. Auf dem Podium sitzt Evi Herzing, auch bekannt als Eve Massacre, und formuliert die Bedenken: Das Zentralcafé, in dem der Musikverein seit 40 Jahren ehrenamtlich Konzerte und mehr veranstaltet, soll nach dem Umbau offenbar in den Keller weichen. Das habe viele Vorteile, aber hinterlasse auch das Gefühl, die Stadt wolle die "störende Alternativkultur" aus dem Blickfeld verbannen. Ersetzt werden solle es durch ein schmuckes Foyer – "alles wird auf ein bürgerliches Publikum zurechtgestriegelt".

"Das sind doch alles nur Ideenskizzen", beschwichtigt Strobel, "wir haben noch gar keine konkreten Pläne vorliegen. Alle bisherigen Nutzer dürfen den Prozess mitgestalten und nach dem Umbau zurück ins Haus." An die Sache mit der Mitgestaltung, so Evi Herzing, glaube sie allerdings nicht.

Problem Nummer zwei für den Musikverein: Es fehlt bisher an einem Ausweichquartier. "Wir haben Angst, dass wir da von der Stadt hängengelassen werden", sagt Herzing. Der Musikverein und der Kaya e.V., der das Zentralcafé seit 25 Jahren bespielt, bräuchten in der mindestens zweijährigen Umbauphase Räume mit Gastronomie. Hier schwingt die Befürchtung mit, dass während der Renovierung schlicht Geld und Puste ausgehen.

Auch Norbert Zlöbl, Leiter der privaten Bildungseinrichtung Werkbund Werkstatt, weiß noch nicht, wohin seine Institution während des dritten Bauabschnitts ausweichen kann, der wenn alles gut geht im Herbst 2018 starten soll. Ihn treibt aber vor allem auch die Frage um, wohin die Stadt mit dem Künstlerhaus will: "Soll hier Kultur nur konsumiert werden oder soll es um Beteiligung gehen?"

Man wolle doch keine Massenevents im Künstlerhaus, um Inhalte gehe es, um das Nebeneinander von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Strukturen, bekräftigt Matthias Strobel. Und dass die alten Spuren, die in dem Haus noch zu finden sind, erhalten werden sollen. Doch Form und Inhalt hängen halt doch stets zusammen. Schon der Kopfbau sei ein abstoßender Fremdkörper, der durch die gläserne Fassade signalisiere, dass neue Spuren unerwünscht sind, sagt Norbert Zölbl. Evi Herzing bringt das Dilemma auf den Punkt: "Alte Graffitis werden freigelegt, aber sobald ein Neues irgendwo auftaucht, wird es sofort überstrichen – das ist doch absurd!"

Ähnlich absurd findet es ein Teilnehmer im Publikum, dass der Musikverein die Diskussion anstoßen musste und der Impuls nicht von der Stadt ausging - was laut Strobel aber noch passiert wäre, wenn die Pläne konkreter sind. Redebedarf, das zeigte der Abend, gibt es jedenfalls noch jede Menge. Und auch für ihre eventuelle Bewerbung als Kulturhauptstadt gibt Hermann Glaser der Stadt noch etwas mit den auf den Weg: "In diesen Plänen müsste das Künstlerhaus als ein Forum für junge kreative Köpfe zentral sein".

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