Diary of Dreams im Hirsch: Giftmischer am Werk

6.10.2011, 15:52 Uhr

Thomas Kessler, der als deutscher Sprecher von Nicolas Cage dem neuen Werk "Ego:X" seine berühmt-berüchtigte Stimme leiht, musste zwar zu Hause bleiben, für ein abendfüllendes Programm reichte es aber dennoch. Kein Wunder, blicken Diary of Dreams doch auf eine beachtlichte Sammlung von 17 Platten zurück, die sie im Laufe ihrer 22-jährigen Bandgeschichte veröffentlicht haben - und so fiel es ihnen kaum schwer, das etwa zweistündige Programm im Hirsch klanglich zu füllen.

Doch schon vorher wurde es im nicht ganz vollen Hirsch ordentlich laut: Mit Sharon Next haben DoD sich eine Vorgruppe für ihre Herbsttour an Bord geholt, die überraschend mitreißende Musik aus der Dark-Wave- und Synthie-Pop-Ecke auf die Bühne bringt und ein wenig an eine deutsche Version der "Sisters of Mercy" erinnert. Die Texte rund um Hass, Hasen (plattgefahren natürlich) und Holyheads mögen Geschmackssache sein, stimmlich überzeugten Sharon Next aber mit einer guten Portion brachialer Düsternis.

Dunkler Traum aus giftigem Raum

In der wohl-temperierten Atmosphäre hatten Diary of Dreams dann leichtes Spiel. Schon der Klassiker "Giftraum" im Duett mit der Nebelmaschine trieb den Zuhörern letzte Zurückhaltung aus - es wurde mitgegröhlt, mitgetanzt und mitgefiebert, was da wohl als nächstes aus dem unerschöpflichen Fundus an Liedern an die Oberfläche gezerrt werden möge. Und das waren in vielen Fällen neue Songs, schließlich ist "Ego:X" noch nicht einmal zwei Monate alt und will sich natürlich verkaufen.

Die Entwicklung, welche die Band in den letzten 10 Jahren von der Dark-Wave-Schiene zum Elektropop durchmachten, traten dabei deutlich und für manchen alteingehörten Anhänger schmerzlich hervor. DoD scheinen von Unheilig, als deren Vorgruppe sie vor kurzer Zeit unterwegs waren, die leichte Neigung zum angekitschten Grufti-Schlager übernommen zu haben und spalteten so die Zuhörer mit etwas zu dick aufgetragenen Balladen.

Doch auch auf "Ego:X" finden sich kleine Juwelen und mit der klugen Strategie, Altes mit Neuem zu verbinden, verwandelten die "Giftmischer" den Raum mit Songs wie "Chemicals", "Menschfeind" und "Amok" in eine brodelnde Suppe. Zum Abschluss blies die Nebelmaschine noch eine letzte Schliere in die Luft, die Scheinwerfer gingen aus und das Deckenlicht an - und die Zuhörer taumelten aus einem zweistündigen düsteren Traum hinaus in die klare Luft der Nacht.

Komisch, denkt man sich da, die Ohren piepsen etwas, der Kopf ist wach und die Stimmung aufgedreht – so giftig war der Raum dann doch nicht. Schade.

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