Die Toten Hosen: Ballast der Republik

7.6.2012, 07:00 Uhr
Die Toten Hosen: Ballast der Republik

© Hippel

Was waren das noch für Zeiten? „Zwanzig gegen einen bis das Blut zum Vorschein kommt.“ Mit „Hier kommt Alex“ - dem wohl ersten kommerziell richtig erfolgreichen Lied der Gruppe - feierten die Hosen Ende der 80er Stanley Kubricks verstörendes Filmmeisterwerk „A Clockwork Orange“ mit viel Wut und Intensität. Punk war irgendwie noch Punk, und Musik aus Düsseldorf war stellenweise auch sehr unangenehm.

Aber auch die Zeiten epischer Trinkgröler der Marke „Eisgekühlter Bommerlunder“ (1983) sind irgendwann vorbei. Man mag den Hosen 2012 vorwerfen, dass sie über die Jahre viel „Punk“ eingebüßt haben – zugunsten radiotauglicher Hymnen. An der Hörbarkeit der neuen Scheibe ändert dieser Umstand aber wenig.

„Ballast der Republik“ - das nunmehr 15. Album in der 30-jährigen Bandgeschichte orientiert sich stilistisch stark am direkten Vorgänger „In aller Stille“. Jedoch geht es auf beiden Scheiben alles andere als still zu. Schon der titelgebende Opener „Ballast der Republik“ peitscht nach dem noch vergleichsweise besinnlichen Intro den Puls schön nach oben. So wünscht man sich den Einstieg in ein modernes Rock-Album.

Spritzig geht’s weiter mit dem neuen Lobgesang auf und für alle Gewinner, siegreichen Fußballer, Romantiker und lebensbejahenden Menschen. „Tage wie diese“ ist schon jetzt der schlimmste Gänsehaut-Ohrwurm des Jahres. Doch schafft es das Lied trotz mehrstündiger Endlosschleife auf sämtlichen Radiofrequenzen irgendwie, frisch und hörbar zu bleiben.

Apropos Fußball: Auch an alle Verlierer haben die Hosen dieses Mal gedacht. Mit „Schade, wie kann das passieren?“ liefern die Düsseldorfer ein Lied, auf das viele Anhänger krisengeplagter Vereine schon seit Ewigkeiten warten. Balsam für die Seele statt Opium fürs Volk.

Auch der Rest des Albums kann überzeugen, muss sich bei aller Fan-Treue doch zunächst erst beweisen. Nach mehrmaligem Hören zünden aber auch Songs wie „Drei Worte“ und „Draußen vor der Tür“, wobei letzterer durchaus zu Tränen rühren kann – wenngleich die Ballade um Abschied, Verlust, Trauer und Sehnsucht nicht gänzlich die Qualität eines „Nur zu Besuch“ erreicht.

Wissenswert: Beim Erwerb der neuen Scheibe sollten Käufer Vorsicht walten lassen. „Ballast der Republik“ ist als einzelne CD und als Doppelscheibe erhältlich. Das Zweitwerk „Die Geister, die wir riefen“ ist jedoch lediglich eine Sammlung deutschsprachiger Cover-Versionen.

Fans freuen sich über die zusätzlichen 15 Songs, die als nette Beigabe einwandfrei funktionieren – mit einer Ausnahme: Nicht nur, dass der wohl berühmteste Ärzte-Song „Schrei nach Liebe“ als Hosen-Song einfach nicht funktionieren will. Die Düsseldorfer reißen alte Wunden auf, indem sie sich mit der letzten Zeile der zweiten Strophe klar positionieren, damit aber Fans einer anderen deutschen und teils höchst umstrittenen Band vor den Kopf stoßen. Was vielerorts im Netz kurz nach der Veröffentlichung bereits zu bösen Diskussionen geführt hat.

Fazit: Fernab kleinerer Mängel und unfreiwilligem Zündstoff haben es die Toten Hosen mit ihrem Jubiläumsalbum abermals geschafft, ein solides deutsches Rock-Album mit unverkennbaren Punk-Wurzeln auf die Beine zu stellen. Sänger Campino sagte jüngst in einem Interview: „Ich hoffe stets, dass wir den besten Song noch nicht geschrieben haben.“ Das motiviere zum Weitermachen.

An dieser Stelle sei gesagt: Der beste Song ist noch nicht mit dabei - aber ein paar Lieder kommen dem bereits gefährlich nahe. Unbedingt reinhören!

Unsere Bewertung: 7 von 10 Schallplatten

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