Ein Werk, dem Grauen abgetrotzt

6.12.2016, 18:48 Uhr

Man zählt es längst zur internationalen Garnitur der großen Quartett-Formationen – das mit vielen Preisen dekorierte Mandelring Quartett. Mit Gesamtaufnahmen der Schostakowitsch-Quartette machte es Furore, vor kurzem ist – zusammen mit dem Bratschisten Roland Glassl – die hervorragende Einspielung der beiden Brahms-Streichquintette erschienen.

Zwei Instrumentalisten, der Bratschist Andreas Willwohl und der Cellist Bernhard Schmidt, lehren an der Hochschule für Musik in Nürnberg. Nun führten die vier, die Geschwister Sebastian, Nanette und Bernhard Schmidt sowie Andreas Willwohl, die intime Kunst des Quartettspiels im Privatmusikverein in der kleinen Meistersingerhalle vor.

Das mittlere der drei Werke stand unangefochten im Zentrum dieses Konzerts: An die Tragik einer Komponistengeneration erinnert Viktor Ullmann, der im Zweiten Weltkrieg nach Deportation in das Lager Theresienstadt und anschließendem „Künstlertransport“ nach Auschwitz in der
Gaskammer ermordet wurde. In Ullmanns drittem, l943 in Lagerhaft komponierten Streichquartett wandeln sich klare Strukturen zu einer erweiterten Tonalität. Wie hier dissonante Harmonik mit herkömmlichen Terz- und Quartakkorden vereint werden, formuliert er in einem Brief von l938 mit „unerschöpfte Bereiche der Harmonik zu ergründen oder die Kluft zwischen der romantischen und der atonalen Harmonik aufzufüllen“.

Ullmann erweist sich in diesem ausdruckskräftigen Werk als Persönlichkeit von Imagination, Energie und Geschmeidigkeit. Kaum zu glauben, dass er ein Werk von solcher künstlerischer Ausdruckskraft und Geschlossenheit in einem Konzentrationslager schaffen konnte. Und es ist ein großes Verdienst des Mandelring Quartetts, dieses Werk nun zum ersten Mal in Nürnberg aufzuführen.

Los ging es mit Mozarts B-Dur Quartett KV 458, das den Beinamen „Jagd-Quartett“ aufgrund der Horn-Melodiewendungen zu Beginn des
ersten Satzes trägt. Was die Kammervirtuosen offerieren, zeugt von bester deutscher Quartett-Tradition. Das Trio im Menuett ist ein Meisterstück an Grazie. Da gewinnt man den Eindruck, dass die zierliche Melodie sich auf Zehenspitzen bewegt. Federnder Elan trägt das Finale.

Woran liegt es, dass Robert Schumanns Quartette nicht in der allerhöchsten Gunst des Publikums stehen? An Felix Mendelssohns zwar sachverständigem, aber im Kern doch nicht so schmeichelhaften Urteil, die Quartette seien eigentlich prachtvolle, für Streicher gesetzte Klaviersonaten? Ganz so unrecht hatte er nicht, so sehr sich Schumann auch um quartettadäquate Stimmenführung bemühte.

Was der Komponist an sperrigen Synkopen akzentuiert, macht das transparente, technisch fabelhafte Spiel im a-Moll Quartett op. 41,1 deutlich: So wird der mit Laufwerk gespickte Finalsatz im rasanten Spiel und energischen Zugriff gut fassbar. Vor allem fesseln die klangdynamischen Kontraste und der prononcierte Wechsel von sanft-bewegtem Spiel mit raffiniert gestrickten Abwandlungen. Viel Beifall.

Aktuelle CD: Mandelring Quartett & Roland Glassl: Johannes Brahms – Complete String Quintets.

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