Eine Kultfigur kehrt zurück

2.5.2018, 13:05 Uhr
Eine Kultfigur kehrt zurück

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Mister Hammill, Sie werden in diesem Jahr 70 und können außerdem Ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum feiern. Zeit für eine persönliche Bilanz?

Peter Hammill: Ich habe mir nie eingebildet, dass ich ein gottgegebenes Recht auf eine Karriere hätte. Zum Glück habe ich ein sehr treues Publikum, das meine künstlerische Entwicklung über all die Jahre verfolgt hat. Natürlich ist der Rückblick in diesem speziellen Jahr ein Thema, ich trete ja immer noch regelmäßig auf und spiele Songs aus fast all meinen Schaffensphasen. So eine Jahreszahl ist jedenfalls kein Grund für mich aufzuhören.

Was treibt Sie nach dieser langen Zeit immer noch an?

Hammill: Ich bin ja nicht ständig auf Tour, so wie das moderne Popkünstler normalerweise machen. Ich lege zwischen ein paar Auftritten immer längere Pausen ein. Das passt mir gut. Glücklicherweise bin ich noch so fit, dass ich auftreten kann. Meine Stimme ist immer noch erstaunlich kräftig. Ich habe ja auch eine gewisse Verantwortung: Die Songs sind seit vielen Jahren meine Begleiter. Wenn ich aufhören würde zu touren und zu singen, würden auch sie verstummen. Daher muss ich weitermachen.

Machen Ihnen die Auftritte noch Spaß? Oder würden Sie lieber als Schriftsteller zu Hause am Schreibtisch sitzen?

Hammill: Ich möchte definitiv kein Schriftsteller sein. Natürlich hat man am Schreibtisch die größte Kontrolle über das, worüber man schreibt. Bei Konzerten ist das anders. Ich plane nicht Monate im Voraus, sondern entscheide oft erst zwei Stunden vor dem Konzert, welche Songs ich spielen werde. Das hat auch damit zu tun, wo ich auftrete. Ich führe ehrlich gesagt ein ziemlich bizarres Leben, das hat nichts mit Spaßhaben zu tun.

In Nürnberg wollen Sie zwei Konzerte hintereinander mit unterschiedlichem Programm geben. Warum das?

Hammill: Das hat in den letzten Jahren bei Tourneen in Japan begonnen, wo ich oft ein paar Tage hintereinander in kleinen Jazz-Clubs aufgetreten bin. Ich kann über 100 verschiedene Songs spielen. Die Entscheidung für den ersten Song hat auch Folgen für den zweiten Abend. Es ist spannend, mich auf die Dramaturgie mehrerer Konzerte zu konzentrieren. Ich möchte jedem Publikum eine gute Auswahl an alten und neuen Songs bieten. Diesmal bin ich ja solo unterwegs, da bin ich viel freier und flexibler. Auch die einzelnen Songs klingen immer anders. Im Prinzip gehe ich auf die Bühne wie ein Jazzmusiker – mit großer Risikobereitschaft.

Nun kommt die unvermeidliche Frage nach Ihrer legendären Rockband Van der Graaf Generator, die ja schon des Öfteren aufgelöst und wieder reformiert wurde. Wie sieht’s momentan aus?

Hammill: Die Band existiert und die Bandmitglieder stehen im Kontakt miteinander. Aber im Augenblick machen wir eine Pause. Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr wieder ein paar Live-Auftritte hinkriegen, sofern die Gesundheit mitspielt. Wir sind ja nicht mehr die Jüngsten. Das Aufregende ist auch bei der Band, dass wir nicht nur das alte Zeug wiederholen, sondern ständig Neues ausprobieren.

Ihr neues Solo-Album "From the Trees" dreht sich um Vergänglichkeit. Was können wir denn von den Bäumen lernen?

Hammill: Kommt ganz darauf an, ob sie im Wald oder allein auf einer Wiese stehen (Lacht)... Es geht darum, sich das Verstreichen der Zeit bewusst zu machen und darum, dass Geschichten nicht endlos sind. Sicherlich hat das auch mit meinem runden Geburtstag zu tun. Aber wenn ich das nicht thematisieren würde, wäre ich nicht ehrlich mir selbst gegenüber.

Und was ist Ihre Erkenntnis? Ihr Album klingt sehr melancholisch . . .

Hammill: Ja, melancholisch, aber auch realistisch. Ich habe mich schon immer mit ernsten Themen beschäftigt. Und ich denke, wenn du sie vermeidest, betrügst du dich selbst. Das Ende des Lebens ist eine harte Nuss, die es zu knacken gilt. Es geht eben nicht ewig so weiter. Das muss man sich bewusst machen, aber gleichzeitig jeden Moment genießen. Das ist meine Art, damit klar zu kommen.

Haben Sie Angst vor dem Alter?

Hammill(lacht): Ich bin ja schon ein alter Mann! Heutzutage werden die Leute zwar immer älter, aber natürlich habe ich Angst vor körperlichen Gebrechen. Bis jetzt geht’s!

Ja, die jugendlichen Rockhelden von einst sind in die Jahre gekommen . . .

Hammill: Ich habe mich ja immer am Rand des normalen Musikgeschäfts bewegt. Als ich mit der Musik anfing, herrschte großer Optimismus unter den jungen Leuten und alle glaubten an eine bessere Zukunft. Heute ist das nicht mehr so einfach. Besonders in den letzten zehn Jahren hat sich unglaublich viel geändert. Ich habe drei Töchter und zwei Enkelkinder, und ich denke, ihnen stehen viel härtere Zeiten bevor als meiner Generation. In diesem Sinne tun mir die jungen Leute leid. Wer glaubt heute noch ernsthaft daran, dass sich alles zum Guten wenden wird?

Vielleicht hat der Pessimismus mit Ihrem Alter zu tun?

Hammill: Ja, stimmt, die Alten haben schon immer gejammert. (Lacht.) Aber die Welt ist komplizierter geworden und gleichzeitig wird es immer schwieriger, die richtigen Informationen zu bekommen. Man darf nicht alles schwarz und weiß malen, so wie es in den neuen Medien üblich ist.

Bildet die Suche nach Wahrheit den Kern Ihrer künstlerischen Arbeit?

Hammill: Ja, ich glaube, man muss ehrlich sich selbst gegenüber sein, auch wenn das manchmal schwierig ist. Die Aufgabe des Künstlers ist es meiner Meinung nach nicht unbedingt, Lösungen zu bieten, sondern Fragen zu stellen. Etwas auszudrücken, auch wenn man keine Antwort hat. Man kann die Dinge immer aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Deshalb schreibe ich Songs. Ich hoffe, dass sich die Zuhörer dadurch mit Kunst beschäftigen und nicht mit mir als Künstler, der eine Botschaft auf Lager hat. Auf den einzelnen Song kommt es an, der Sänger ist nur das Medium.

ZCD-Tipp: Peter Hammill, "From the Trees" (Fie! Records/Rough Trade)

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