Endspiel mit Rise Against

23.4.2011, 00:00 Uhr
Endspiel mit Rise Against

© Evan Hunt

Einsam und verlassen steht der kleine blonde Junge mitten in der Prärie. Umringt von toten ausgetrockneten Pflanzen, eingehüllt im berühmten Sternenbanner der Vereinigten Staaten von Amerika. Sein Blick schweift in die Ferne. Nur schemenhaft lässt sich ein Haus am Horizont erkennen. Diese trostlose Cover-Szenerie zieht sich nicht nur durch das gesamte Booklet von "Endgame". Es steht sinnbildlich für die klangliche Apokalypse, welche "Rise Against" mit ihrem aktuellen Longplayer zeichnen.

Eines vorweg: Wer die beiden Vorgänger "The Sufferer & The Witness" und "Appeal To Reason" bereits mochte, der kann im Fall vom aktuellen "Endspiel" bedenkenlos zugreifen. Auch auf dem neuesten Wurf von Tim McIlrath, Joe Principe, Brandon Barnes und Zach Blair finden sich die heiß und innig verehrten Rhythmen und Melodien, die für "Rise Against" so typisch geworden sind. Die modernen Punk- und Melodic-Hardcore-Hymnen, die einem noch über Tage im Ohr nachklingen, wenngleich man die CD vielleicht nach einigen Durchläufen nachdenklich zur Seite gelegt hat.

Buffet des Zorns

Konzentriert man sich nämlich auf die Botschaften, ist "Endgame" beileibe kein einfacher Snack für zwischendurch. Die 12 Songs der ausnahmslos starken Platte sind mehr als ein Buffet des Zorns zu betrachten. Hittauglich fluffige Klänge können nur kurz darüber hinwegtäuschen, dass es unter der Oberfläche brodelt. Wenn aufrüttelnde Themen wie Umweltkatastrophen, Kriege und der Untergang von New Orleans aus den Boxen donnern, fühlt man sich in Zeiten der leichten Pop-Punk-Kost doch eher an die 80er-Jahre-Aufklärer von "Bad Religion" erinnert.

"Rise Against" gehen sogar noch einen Schritt weiter. Was zunächst als Spiegel für eine allzu gottestreue Nation Fehlverhalten und Missstände anprangert, gipfelt in den Überlegungen, ob die Welt ohne ihre Menschheit nicht viel besser dran wäre. Kompromiss-, tabu- und erbarmungslos trauen sich "Rise Against" genau da hin, wo sich derzeit keine andere Band des Genres so richtig wohl zu fühlen scheint. Ohne dabei jedoch auf Stadiontauglichkeit ("Make It Stop"), echte Abräumer ("Satellite") oder bedrohliche Eingängigkeit ("Wait For Me") verzichten zu müssen.

Fazit: Ein wenig Zeit zum Verdauen sollte man sich im Fall von "Endgame" schon nehmen. Alles in allem ist die Scheibe wohl gelungen, gespickt mit Hits, die elegant den Stachel dorthin treiben, wo es weh tut. Doch die durchgehend geschwungene moralische Keule ist nicht jedermanns Sache, so viel sei klargestellt. Wenngleich die vier Jungs aus Chicago (Illinois) von der ersten Minute an aus allen Rohren feuern, könnte man sich im Detail über eine gewisse Eintönigkeit zum Ende der 45-minütigen Laufzeit beschweren. Doch das wäre Jammern auf hohem Niveau und verhindert keinesfalls eine gute Wertung.

Bewertung: 8 von 10

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