"Er ist wieder da": Hitler zwischen Youtube und Pegida

7.10.2015, 06:00 Uhr
Mäuse hatte er eigentlich anders in Erinnerung: Sei's drum, Adolf Hitler (gespielt von Oliver Masucci) kann sich schnell an die neue Umgebung anpassen.

© Constantin Mäuse hatte er eigentlich anders in Erinnerung: Sei's drum, Adolf Hitler (gespielt von Oliver Masucci) kann sich schnell an die neue Umgebung anpassen.

Bei Vermes avanciert der Führer nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten im modernen Multi-Kulti-Berlin zum TV-Comedy-Star und sucht über diesen medialen Quereinstieg wieder den Weg in die Politik. Die Idee, mit der sich David Wnendt ("Die Kriegerin", "Feuchtgebiete") den Stoff aneignet, ist auf einfache Weise genial: Er nimmt die Prämisse des Romans ernst und lässt seinen Hauptdarsteller Oliver Masucci in vollem Führer-Outfit kreuz und quer durch die Republik reisen.

Als verständnisvoller Zuhörer sitzt Hitler an den Stammtischen auf Sylt und in Brandenburg, präsentiert sich in der Bayreuther Fußgängerzone als Porträtmaler und besucht sogar rechte Parteifunktionäre. Alles bei laufender und keineswegs versteckter Kamera. Ein Borat im Hitler-Kostüm, der seine angenommene Identität als Führer nie aufgibt. Und wie reagieren die Menschen in diesem unseren Lande? Manche finden es einfach lustig und machen erst einmal ein Selfie mit dem Führer.

Nur wenige empören sich und die meisten nehmen die Kunstfigur auf geradezu gespenstische Weise als Menschen ernst. Sie schütten Hitler ihr Herz aus, ziehen über "die Ausländer" her, schimpfen auf die Demokratie und die Medien, von denen sie sich nicht vertreten fühlen, und schließen sich den kaum abgewandelten Parolen des Führers erschreckend vorbehaltlos an. "Ich würde für Deutschland sterben" entfährt es einer Frau, die sich präventiv schon ein wenig Mut angetrunken hat. Und auch der deutsche Gruß ist landauf, landab immer wieder zu sehen.

Mitten hinein ins Pegida-Land implantiert Wnendt die Geschichte, obwohl die Dreharbeiten noch vor den ersten Montagsdemonstrationen in Dresden stattgefunden haben. Die durchaus gruselig anmutenden Dokumentaraufnahmen verwebt der Film mit den Grundzügen des Romans. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen seiner Deutschlandtournee beschließt Hitler sein Comeback in der modernen Mediengesellschaft und wird in einer Comedy-Show zum gefeierten Skurrilum. Wenn er in seinem ersten Auftritt über die Verblödung des deutschen Fernsehens wettert, halten die Redakteure die Luft an.

Gewagte Mischung aus Satire und Dokumentarfilm

Aber das Publikum ist begeistert. Hitler wird sogar zum Youtube-Star. Nicht nur weil seine Auftritte die Provokationsschraube um einige Umdrehungen weiterdrehen, sondern auch weil die Zuschauer im Gesagten ein Körnchen Wahrheit für sich entdecken. "Damit kann ich arbeiten" stellt Hitler am Schluss des Filmes befriedigt fest, während er im offenen Wagen die Straße hinunterfährt, die Menschen ihm zuwinken und den rechten Arm zum Gruß erheben. Und auch diese Aufnahmen sind nicht gestellt, genauso wenig wie die folgenden Nachrichtenbilder von Pegida-Demonstrationen und rechter Randale vor Asylbewerberheimen.

Es ist eine gewagte Mischung zwischen Satire und Dokumentarfilm, die Wnendt anrührt. Aber die Montagen zwischen Realität und Fiktion werden hier mit Bedacht und nie des spekulativen Effektes wegen ausgeführt. Was im Roman als skurrile Idee etwas leichtfüßig daherkommt, wird im Kino zu einer pointierten Gesellschaftssatire, bei der einem immer wieder das Lachen im Halse stecken bleibt. Wnendts "Er ist wieder da" hält dem Deutschland von heute den Spiegel vor und zeigt eindringlich, dass sich dieses Land auch nach siebzig Jahren noch nicht von dem Gespenst seiner nationalsozialistischen Vergangenheit befreit hat.

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