Facettenreiche Premiere von "Musik in Altdorf"

25.7.2016, 17:51 Uhr
Facettenreiche Premiere von

© Hans von Draminski

"Wir sind das Gegenteil von anderen Festivals", sagt Leo Kalavrouziotis, der zu den treibenden Kräften bei MIA gehört. "Statt nur eine Richtung anzubieten, etwa Blues oder Gitarrenmusik, gibt es bei uns eine ganze Palette von musikalischen Formen. Man kann HipHop oder Sound aus Afrika hören, aber auch Improvisation und Soul". Ein roter Faden zieht sich trotzdem durchs Programm: Die Musik müsse authentisch sein, Seele haben. Coverbands sind also nicht im Sortiment — und was den Bekanntheitsgrad der Künstler angeht, schöpft man eher aus der dritten Reihe.

Die fehlende Popularität mag ein Grund dafür sein, dass das Publikum nicht gerade in Massen vor die beiden Altstadt-Bühnen hinter dem Schloss und im wunderschönen historischen Hof des Wichernhauses strömte. Denn an der Qualität der Musiker, die die Soul Buddies — ein aus einer beherzten Privatinitiative von musikbegeisterten Freunden hervorgegangener Verein mit inzwischen 35 Mitgliedern — eingeladen haben, gibt es nichts zu mäkeln.

Im Gegenteil: Wer mit aufgeschlossenem Geist und offenen Ohren unterwegs war, konnte viel Außergewöhnliches, Aufregendes und Anregendes entdecken. Zum Beispiel die charismatische US-Amerikanerin Akua Naru mit ihren kritischen Texten. Die Frau mit der energischen Bühnenpräsenz steht für HipHop mit tiefergehenden Inhalten — Umweltschutz und Gesellschaftskritik statt "Gangsta"- Romantik. Sie hätte in Altdorf eindeutig mehr Zulauf verdient.

Widerstandslos aus der Reserve locken lässt sich das Publikum tags darauf von "Monobo Son", einem explosiven Ableger-Projekt des LaBrassBanda-Posaunisten Manuel Winbeck. Lange hält es das oberbayerische Energie-Kraftwerk nicht auf der Bühne aus. Spätestens als sich die Musiker unter die Zuschauer mischen und charme-offensiv zum Mitsingen auffordern, wird das Konzert zur Gemeinschafts-Performance. Das dürfte ganz im Sinne der Soul Buddies sein, die sowohl in Altdorf untergebrachte Flüchtlinge als auch Menschen mit Behinderung in Organisation und Programm eingebunden haben. Entsprechend entschieden sie sich angesichts des Amoklaufs in München gegen eine Absage des Festivals: "Wir möchten unsere Werte leben, also Gemeinschaft und Zusammenarbeit pflegen", unterstreicht Günther Kraußer, einer der Festival-Initiatoren.

Sein Team hat als Kontrast zu den erdigen Oberbayern die sphärisch-meditativen, völlig losgelösten Jazz-Improvisationen von Stefan Poetzsch, Johannes Billich und Vokalistin Rayka Wehner gesetzt. Nur um danach wieder zum tanzbaren, stimmstarken Soul von Sängerin Fola Dada und ihrer mit entspannter Virtuosität und Reggae-Lässigkeit groovenden Band Deep Shot überzuleiten.

Für den strahlenden Höhepunkt des Festivals sorgt am Samstagabend die malawisch-britische Jazz-Sängerin Malia, die zu den eigenwilligen Protagonistinnen des Genres zählt. Die Highheels streift die Musikerin in Jeans-Latzhosen schon beim zweiten Song ab. Barfuß — das passt besser zu den ehrlichen, sehr persönlichen Songs in Englisch und der Bantu-Sprache Chichewa, die sie mit ihrem aufregenden Piano-Trio präsentiert. Malia fasziniert mit ihrer Erscheinung, vor allem aber mit ihrer beweglichen Stimme, die mal an Billie Holiday, mal an Macy Gray oder Nina Simone erinnert, aber immer einen ureigenen, kehlig-dunkel schimmernden Akzent transportiert.

Selbst bei einem Klassiker wie "I Put a Spell on You" fließt der Mainstream an diesem Abend in großem Bogen an Altdorf vorbei. — Und man darf gespannt sein, mit welchen Entdeckungen das Festival MIA im nächsten Jahr überrascht.

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