Frankfurt-"Tatort": Alles, nur nicht normal

18.12.2016, 21:45 Uhr
Frankfurt-

© HR/Degeto/Bettina Müller

Wie sich die Dinge in Frankfurt und Berlin doch gleichen. So werden die neuen Kollegen am Main wie die ebenfalls seit 2015 ermittelnden Hauptstadt-Cops vor allem dadurch vorgestellt, in dem sie sich unangenehmen Altlasten aus ihrer Vergangenheit stellen müssen. Die eigentlichen Fälle geraten teilweise in den Hintergrund.

Kommissarin Janneke (Margarete Broich) erhielt deshalb in der "Geschichte vom bösen Friederich" ungebetenen Besuch von einem Irren, der seine Selbstporträts ableckt. Mit einem Gutachten hatte die Polizistin in ihrer Zeit als Psychologin dazu beigetragen, dass der Wüterich verurteilt wurde. Vom Gesetz her rehabilitiert, wollte der sich nun rächen und konnte gerade noch daran gehindert werden. In "Hinter dem Spiegel" kramte Janneke höchstpersönlich im bewegten Lebenslauf von Neu-Partner Brix (Wolfram Koch). Dabei förderte sie ein paar krumme Geschäfte und Beziehungen zur Unterwelt zutage. Kein Wunder. Schließlich ermittelte Brix ja vorher lange bei der Sitte.

Mittels Aktionen wie diesen verschaffen die Autoren dem Zuschauer entscheidende Einblicke in das Innenleben der Kommissare. Auf diese Weise gewinnt eine Figur erheblich an Tiefe. Am Ende erscheint ein ganzes Team nach außen hin wie eine zusammengeschweißte Einheit, ein vielschichtiges, mehrdimensionales Konstrukt.

Kein ernstzunehmender Krimi

Nun ist man in Frankfurt aber schon einen Schritt weiter als in Berlin. Während dort gerade erst die Vergangenheit bedeutungsschwanger in der Spree versenkt wurde, dürfen sich Brix und Janneke bereits im vierten Auftritt mit voller Aufmerksamkeit einem frischen Fall widmen. Die ordinäre Polizeiarbeit kann also beginnen. Oder doch nicht? Denn wie bei ihrem Ausflug in den Murot'schen "Tatort" "Wer bin ich?" stellen Broich und Koch in "Wendehammer" ihre humorvolle, groteske Seite zur Schau. Dem Hessischen Rundfunk widerstrebt es offenbar, den Zuschauern ganz gewöhnliche Cops vorzusetzen, die es mit ebenso ganz gewöhnlichen Fällen zu tun bekommen. Die Vermutung liegt auf der Hand. Markus Imbodens Film ist schließlich alles, nur kein ernstzunehmender oder gar düsterer Krimi.

Bereits der Beginn hält eine schräge Szenerie bereit. Schweigend legen die Kommissare Akten ab, spitzen Bleistifte und tauschen Glühbirnen in ihrem Großraumbüro aus. Später flattern noch ein paar wildgewordene Vögel durchs Präsidium. Da stürzt Frau Graf (Cornelia Froboess) aufgebracht ins Kommissariat und meldet Nachbar Abendroth als vermisst. Für sie ist die Sache klar. Nils Engels (Jan Krauter) aus dem Einfamilienhaus gegenüber hat ihren Rommé-Partner getötet. Der IT-Spezialist hat die schicke Immobilie von seiner Großmutter geerbt und sie in ein "Smart House" umgebaut. Das ganze Heim ist mit Überwachungskameras gespickt und von einem Elektrozaun umgeben. Engels selbst leidet unter akutem Verfolgungswahn. So hat er Angst vor allem Analogen. Auch Tieren jeglicher Gattung. Außerdem behauptet er, mächtige Leute aus dem Silicon Valley seien hinter ihm her.

Gibt es diesmal keine Leiche?

Bei ihren Recherchen fördern Janneke und Brix nun einen lange währenden Nachbarschaftsstreit im "Wendehammer" der kleinen Straße mit den schönen Einfamilienhäusern zutage. Außerdem finden sie heraus, dass der bizarre Engels die Schildkröte das Jungen von nebenan erschlagen hat. Zur Veranschaulichung erlebt der Zuschauer diese Tat aus der Schildkröten-Perspektive mit. Eine von vielen gelungenen Kameraeinstellungen. Aber eine Leiche? Nein, die findet sich nach wie vor nicht. Im Gegenteil. Der Vermisste erscheint höchst lebendig wieder auf der Bildfläche und genießt die Aussicht auf seinen kleinen, mit Palmen umrandeten Pool. Also falscher Alarm im "Wendehammer"?

Nein. Denn jetzt beginnt der ohnehin schon ungewöhnliche Krimi vollends aus dem üblichen Raster zu fallen. Markus Imboden packt plötzlich brisante Themen wie die Macht, die von IT-Unternehmen ausgeht, globale Vernetzung und totale Überwachung in seinen Film. Doch anders als in "HAL" und "Echolot" begegnet der Regisseur dieser Problematik mit einer Unmenge an Humor. Imboden richtet eine ausgewachsene Verarsche an, dass sich die Balken nur so biegen. Außerdem ist da noch die Geschichte mit dem Laubbläser. So ein Gerät kann jede Menge Ärger verursachen, wenn es in die Hände eines ungeliebten Nachbarn gerät.

Das fiese Grinsen des Regisseurs hinter seiner Kamera ist in jeder Szene des Films zu erahnen. Imboden und seine Autoren verdrängen mit ihren verrückten Ideen den eigentlichen Fall, der erst zum Ende hin einer wird, komplett in den Hintergrund. "Wendehammer" ist herrlicher Quatsch mit einer Riege von herrlich schrägen Typen. König der Grotesken bleibt Engels, der sogar noch einen kompletten Stromausfall verursacht, weil er sich zu lange aus seinem System ausloggt. Big Data war gestern. Massive Data in Omis Einfamilienhaus mit der Kuckucksuhr an der Wand lautet die Devise.

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