Frankfurt-"Tatort": Die Ladies von der "Neuen Rechten"

8.1.2017, 21:45 Uhr
Frankfurt-

© HR/Degeto/Bettina Müller

Die fünfte Episode vom Main tanzt erneut aus der Reihe. Sie passt weder zu den vorherigen Folgen noch zu Fällen aus anderen Städten. Somit führt der Hessische Rundfunk eine noch junge Tradition fort: Kein "Tatort" gleicht dem anderen. Entweder steckt dahinter Methode oder aber der Umstand, dass die Frankfurter noch nicht so recht wissen, wohin sie ihren Ableger stilistisch eigentlich hinführen wollen.

Von einem planlosen Durcheinander zu sprechen, wäre aber ohnehin höchst unfair. Obwohl die bisher ausgestrahlten Geschichten unterschiedlicher kaum sein könnten, zeichnet alle ein hohes Maß an filmischer Qualität aus. Außerdem tritt das Ermittler-Gespann immer homogener auf, so dass es ein großes Vergnügen ist, Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) bei der Arbeit zuzuschauen. Allein durch ihr Mitwirken erhalten die Krimis eine besondere, teilweise skurrile Note. Weil die Drehbuchautoren in "Land in unserer Zeit" aber zunächst einige schwere inhaltliche Geschütze auffahren, um dem Krimi den nötigen Drive zu verleihen, nehmen die Ermittler selbst dieses Mal erst im Verlauf des Films Fahrt auf.

Feuer in der "Mainwelle"

So eröffnet Markus Imbodens Streifen mit einem Brandanschlag auf den Friseursalon von Rosi Grüneklee (Birgit Schade). In den Trümmern der "Mainwelle" qualmt noch die verkohlte Leiche von Mitarbeiterin Melanie. Dass an den sterblichen Überresten ein nahezu unversehrtes Kettchen baumelt? Schwamm drüber. Vera (Jasna Fritzi Bauer), die Kollegin der Toten, und zwei ihrer Freundinnen bezichtigen sofort einen Drogen dealenden Flüchtling der Tat. "Weil wir die weg haben wollten, hat der sich gerächt", echauffiert sich eine der Heimatlieder singenden Chor-Ladies.

Dank dieser pikanten Gemengelage stünde nun eigentlich alles für einen emotionalen Thriller über Rassismus, über gute und böse Flüchtlinge bereit. Doch wir erinnern uns – die Kollegen aus Frankfurt folgten bislang keinen ausgelatschten Krimipfaden. Daher folgt jetzt kein überdramatisierender Themen-"Tatort". Ebenso wenig eine im Anschluss an den Film angesetzte Diskussionsrunde mit Anne Will. Frankfurt macht sein Ding und tut wirklich gut daran.

Drei Nazis aus dem Frauenchor

Trotzdem spielen natürlich ein paar Flüchtlinge eine Rolle. Die, die mit falscher Identität einreisen und solche, die mit Drogen dealen. Aber auch welche, die keines dieser Klischees bedienen, sondern einfach nur das Badezimmer von Kommissar Brix blockieren. Die obligatorischen, bedenklich denkenden Deutschen finden selbstverständlich ebenfalls ihr Plätzchen. Da hätten wir zum einen die Kategorie Holzkopf, die einfach zu verstehende Parolen nach-krakeelt, und zum anderen die Fraktion, die getarnt in züchtigen Röckchen und biederen Blüschen deutsche Volkslieder im Frauenchor trällert. Sind sie, diese gescheiten Frauen von der "Neuen Rechten", nicht vielleicht sogar die gefährlicheren Rassisten? Fragen wie diese stellt der Film unterschwellig. Wasserdichte Antworten liefert er keine. Auch keinen Täter im klassischen Sinn. John, der verdächtigte Senegalese, besitzt nämlich ein lupenreines Alibi.

Typische "Tatort"-Fans könnten also hadern. Auch die Zuschauer, die sich mehr dramaturgische Tiefe bei den Episodenfiguren gewünscht hätten. "Land in dieser Zeit" bleibt definitiv an der Oberfläche. Der Rest dürfte aber seinen Spaß am fünften Fall von Janneke und Brix haben. Schon allein deshalb, weil keiner der Kommissare mit einem "Freddy-Schenk-Gedächtnis-Betroffenheitsblick" durch die Gegend ermittelt. Trotz der zugegeben schweren Thematik. Stattdessen dürfen die Cops erneut ihr komödiantisches Talent unter Beweis stellen. So stimmen sie lustige Lieder mit Assi Jonas an, der nebenbei bemerkt deutlich mehr Spielzeit als bisher erhält.

Herrlich schräg ist übrigens Fosco Cariddi (Bruno Cathomas), der neue Präsidiumsleiter. Gedichte von Ernst Jandl zitierend schreitet der gut gekleidete Nachfolger von Roeland Wiesnekker durch die oft seltsam menschenleeren Räumlichkeiten des Kommissariats. Unvermittelt legt Cariddi los. Manchmal minutenlang rezitiert er die experimentelle Lyrik des österreichischen Dichters. Alle hören zu. Keiner fällt ins Wort. Was das soll? Weiß man nicht. Lustig ist es trotzdem.

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