Furioser Auftritt von Urban Priol in der Tafelhalle

20.10.2017, 13:38 Uhr
Bissig wie eh und je: Urban Priol wusste in der Tafelhalle durchaus zu überzeugen.

© Harald Sippel Bissig wie eh und je: Urban Priol wusste in der Tafelhalle durchaus zu überzeugen.

"Deutschland im Herbst" - so hieß der berühmte Film, der sich mit der gesellschaftspolitischen Befindlichkeit der Bundesrepublik während der Hoch-Zeit des RAF-Terrorismus auseinandersetzte, kurz nach dem sogenannten Deutschen Herbst des Jahres 1977. Die
filmische Collage war ein Gemeinschaftsprodukt der damals wichtigsten Regisseure dieses Landes: Kluge, Fassbinder, Schlöndorff.

"Deutschland im Herbst" wäre durchaus auch ein treffender Titel für Urban Priols aktuelles Programm "gesternheutemorgen". Und hätte sich wohl genauso schon für sein Bühnendebüt im Herbst 1992 geeignet: Bei den 8. Kabaretttagen gastierte der kleine, immer wie unter Strom stehende Mann aus Aschaffenburg damals im Nürnberger Burgtheater, zusammen übrigens mit Andreas Giebel. Unter dem Motto "Geh’n tut alles" unternahmen die Beiden "eine Reise ins Innere der Baustelle Mensch".

35 Jahre auf deutschen Kabarett-bühnen: Auf dieses Jubiläum geht Priol zu Beginn in der Tafelhalle kurz ein, als er von seinem einstigen Auftritt erzählt. Selbstkritisch wie -ironisch gesteht er sich ein, während dieser langen Zeit im Grunde nichts erreicht zu haben. Dabei wollte er – noch jung und ehrgeizig – doch die Welt verändern mit seiner satirischen Gesellschaftskritik!

Natürlich ist eine gehörige Portion Understatement dabei, wenn Priol – als einer der Großen der gegenwärtigen deutschen Kabarettlandschaft – so etwas sagt. Doch genau genommen hat er leider Recht.

Etwas zum Aufregen

Das stört die zahlreichen Priol-Fans allerdings schon deshalb nicht, weil die Ohnmacht der angeblich Kleinen gegenüber der Macht der vermeintlich Großen auf dieser Welt das Grundthema der Bühnenfigur Priol ist. Würde die nämlich etwas ausrichten können gegen Ungerechtigkeit, Ausbeutung, verbrecherische Geschäftemacherei der Starken auf Kosten der Schwachen – kurz: gegen alles Negative im täglichen Leben –, dann müsste Priol seine Karriere beenden. Und was vielleicht noch schlimmer für ihn und uns wäre: Er hätte nichts mehr, worüber er sich aufregen könnte.

Implosion oder Explosion, das ist hier die Frage

So aber spricht er jedem Besucher aus dem Herzen, wenn er ein Thema aus einem ganz beliebigen Bereich anschneidet, sich darüber echauffiert und dann in einen Ärger hineinsteigert, den er nur schwerlich hinunterschlucken kann – oder der ihn fast zum Platzen bringt. Implosion oder Explosion, das ist hier die Frage.

Wobei wir bei Shakespeare wären, dem von Priol geliebten und bewunderten Sprachkünstler, dessen leidenschaftlichen Stil und wortgewaltige Ausdrücke er angesichts üblich gewordener Einheitsbrei-Schreiberei gerne zitiert und überhöht. Schon dafür muss man Priol dankbar sein!

Selbst wenn er etwas weniger bunt gekleidet daherkommt, Bart und Haare angegraut und nicht mehr ganz so wild abstehend wie noch vor einiger Zeit: Priol ist sich 35 Jahre lang treu geblieben. Am Ende lüftet er sogar das Geheimnis seiner Frisur. Schuld daran sei eine Russin namens Ilonka, die ihm einst aus mehreren Gründen die Haare zu Berge stehen ließ. Dafür würde ihr eigentlich ein alternativer Kabarettpreis gebühren!

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