Gefälschte Kunst und der Dalai Lama

26.2.2019, 08:00 Uhr
Gefälschte Kunst und der Dalai Lama

© Germanisches Nationalmuseum

Prof. Großmann, im Sommer werden Sie das Germanische Nationalmuseum 25 Jahre lang geleitet haben. In der Zeit ist viel passiert. An welches Ereignis erinnern Sie sich besonders gerne?

Ein Höhepunkt meiner Amtszeit war sicherlich der Besuch des Dalai Lama, den ich 2008 in der zum Museum gehörenden Straße der Menschenrechte begrüßen durfte. Wie in der asiatischen Tradition üblich, bekam ich von ihm einen Schal umgelegt. Ein ergreifender Moment. Menschen aus Tibet hatten sich schon früh morgens vor dem Museum versammelt, um ihn zu sehen. Die ganze Kartäusergasse war voll. 
Das andere große Ereignis war meine Wahl zum Weltpräsidenten des Internationalen Kunsthistorikerverbandes im Jahr 2012. Seit 1945 war ich erst der dritte Deutsche, dem diese Ehre zu Teil wurde. Der Posten ermöglichte mir großartige Kontakte und neue Erkenntnisse in die Museumsarbeit weltweit.

Und was waren die außergewöhnlichsten Neuerwerbungen in Ihrer Amtszeit?

Da fällt mir die Erwerbung eines „gefälschten“ Blumenstilllebens ein. Es zeigt einen prächtigen Blumenstrauß, dessen Blüten allerdings aus verschiedenen anderen Stillleben ausgeschnitten und zusammengefügt worden waren. Die Collage ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, eine Röntgenaufnahme machte sie sichtbar. Das Gemälde hat keinen besonders hohen materiellen Wert, aber es ist fantastisch als Anschauungsmaterial. Wir haben es daher trotzdem – günstig – erworben. Eine spannende Geschichte, die wir u.a. in meiner Abschiedsausstellung Abenteuer Forschung ab dem 27. Juni erzählen werden. Vor wenigen Jahren gelang außerdem auf einer Auktion der Erwerb eines Gemäldes mit der Darstellung eines Kalvarienbergs. Sie entstand vermutlich um 1490 in Nürnberg oder Bamberg. So etwas Hochkarätiges kommt selten auf den Markt, das war eine nahezu einmalige Gelegenheit. Hätten wir selbst im Auktionssaal gesessen, hätten wir vermutlich die Aufmerksamkeit auf dieses Werk gelenkt. Das wollten wir vermeiden. Also haben wir inkognito per Mittelsmann mitgeboten. Die Minuten, bis er anrief und bestätigte, dass wir den Zuschlag tatsächlich erhalten haben, erschienen endlos.

Welche Ausstellungen waren besonders?

Das Ausstellungs-Highlight meiner Amtszeit war sicherlich die große Sonderschau zum Frühwerk Albrecht Dürers 2012. Der Andrang war riesig, Besucherschlangen zogen sich durch die gesamte Kartäusergasse bis zum Kornmarkt. Das haben wir vorher und nachher nie wieder erlebt. Für mich persönlich war aber auch die Sonderausstellung Mythos Burg ein Ereignis, da ich als Mitkurator und Burgenforscher am Konzept mitgearbeitet habe. Als Generaldirektor betreue ich keine eigene Sammlung, das würde nur zu Interessenskonflikten führen, deshalb war die Mitarbeit an einer großen Sonderausstellung eine besondere Ausnahme.

Gab es auch weniger Erfreuliches im Laufe Ihrer Amtszeit?

Am unerfreulichsten waren die Haushaltsverhandlungen in den 1990er Jahren – kompliziert, zäh, unangenehm. Enttäuscht war ich dann von dem Beauftragten des Bundeskanzlers für Kultur und Medien Michael Naumann, der die vom damaligen Bundeskanzler Schröder vorgesehene Aufstockung des Forschungsetats nicht unterstützte. Die Nachfolgerin Anette Schavan setzte dann ein paar Jahre später durch, dass das Germanische Nationalmuseum von der Zuständigkeit des Kulturbeauftragten in die des Forschungsministeriums wechselte. Das war ein großer Tag für das Museum, seitdem musste ich mir über die grundsätzliche Finanzierung des Hauses keine Sorgen mehr machen.

Warum haben Sie sich damals am Germanischen Nationalmuseum beworben?

Die Antwort ist einfach: Weil es das bedeutendste Museum für Kulturgeschichte in Zentraleuropa ist. Ehrlich gesagt habe ich nicht mal im Traum zu hoffen gewagt, dass man sich für mich entscheiden würde. Ich dachte, bewirb Dich mal, mehr als Nein sagen können sie nicht. Und dann hat es tatsächlich geklappt.

In welchem Zustand befand sich das Germanische Nationalmuseum damals? 

Das Museum fieberte zum einen dem Ende einer umfangreichen und langwierigen Bauphase entgegen. Der Haupteingang wurde damals vom Kornmarkt in die Kartäusergasse verlegt. Seit Ende der 1980er Jahre entstanden hier die lichte neue Eingangshalle, vielseitige Sonderausstellungshallen und Restaurierungswerkstätten und die Straße der Menschenrechte von Dani Karavan. Zugleich gab es leider auch eine eher diffuse Verwaltungs- und Organisationsstruktur. Angeblich hatte das Museum enorme Schulden, die es zu tilgen galt, was sich glücklicherweise bald als Irrtum herausstellte. Personell war das Museum nicht voll besetzt, bei meinem Amtsantritt waren gleich mehrere Sammlungsleiterposten vakant. Das bedeutete für mich eine riesen Chance, das Team um großartige Wissenschaftler zu erweitern. Dazu gehörten damals die frisch aus den USA zurückgekehrte Kunsthistorikerin Renate Eickelmann, Frank Matthias Kammel, der inzwischen Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums ist, oder Jutta Zander-Seidel für die Betreuung der Textilien. 

Erinnern Sie sich noch an eine Ihrer ersten Amtshandlungen?

Ja, sehr gut sogar. Mit dem damaligen Baureferenten Michael Eissenhauer, inzwischen Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, bin ich durch das Haus gegangen und habe mir den Zustand der einzelnen Gebäudeteile zeigen lassen. Herr Eissenhauer wies damals schon auf den Sanierungsbedarf der Mittelalterhalle hin, dessen Behebung wir erst jetzt angehen konnten. Und ich muss gestehen: Das Team um Daniel Hess hat ein wesentlich besseres Konzept entwickelt, als wir es damals hatten. Das Warten hat sich also gelohnt! 

Eine Sonderausstellung haben Sie gleich zu Beginn auch auf die Beine gestellt. 

Die Studioausstellung realisierten wir damals innerhalb von nur vier Wochen. Das ist eigentlich viel zu kurz als Vorbereitungszeit, aber ich wollte sehen, wie schnell ein so großes Haus reagieren kann. Das GNM galt als schwerfällig und unbeweglich. Doch die Vorbereitung hat wunderbar geklappt – das Haus war also doch flexibel und schnell. Das hat mich sehr gefreut. 

Zum 1. Juli 2019 gehen Sie nun in den Ruhestand. Bleiben Sie der Forschung treu?

Natürlich werde ich weiter forschen. Das ist ja das Schöne an diesem Beruf. Meine Frau plant mit mir ein Buch über Albrecht Dürer zu schreiben, vermutlich werde ich auch weiterhin an einer Hochschule unterrichten, und selbstverständlich stehe ich auch künftig dem Deutschen Burgenmuseum in Thüringen engagiert zur Seite. In meinem ureigenen Gebiet, der Bauforschung, werde ich sicher auch wieder mehr tätig werden.

Was werden Sie vermissen?

Die Kollegen, das Arbeitsumfeld und die gute Organisationsstruktur des Museums. Natürlich kann ich für mich weiter forschen, aber mir ist durchaus bewusst, dass mir im Arbeitsalltag viele Kollegen „den Rücken freigehalten“ haben. Ich musste mich nicht persönlich um alles kümmern. Das wird dann anders. Nicht vermissen muss ich hoffentlich die österreichische Küche: Wenn ich mal nicht bei meiner Frau in Österreich bin, werde ich immer mal mittags im Museum vorbeikommen und das Essen des österreichischen Küchenchefs im Café Arte genießen.

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