Genialischer Triebstau der Themen

25.1.2016, 18:52 Uhr

Denn Keith Emersons Klavierkonzert Nr. 1 muss aus seiner Zeit heraus erklärt werden. Der Progressive Rock nahm zu Beginn der 70er Jahre Fahrt auf. Einer der Hauptprotagonisten: Die Gruppe ELP mit Emerson an den Tasten, der als einer der Ersten den Moog-Synthesizer in die Rockarenen trug. Und auch in Fragen klassischer Symphonik war man nicht zimperlich: Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ verwandelte sich in einer von Emerson maßgeblich geprägten Einspielung zu einem hörenswert verrockten Tanz auf dem Vulkan.

Dieses Liebäugeln mit musikalischen Vorlagen muss bei dem damals 33-jährigen Tastenkünstler zu einem solchen Triebstau an kompositorischem Genie geführt haben, dass er sein 1. Klavierkonzert in die Welt setzte. Dass diesem kein zweites mehr folgte, mag viele Gründe haben. Einen erahnt das Publikum der Meistersingerhalle in der engagierten und hochvirtuosen Wiedergabe durch Markus Becker am Flügel: Da reiht sich Thema an Thema mit großer Atemlosigkeit, fordert dem Orchester wie dem Solisten höchste Aufmerksamkeit ab, mäandert durch ein spätromantisches „Als ob“ und gemäßigt modernes „Jetzt erst recht“, dass es vor lauter herbeigeschlepptem Stilmischmasch kracht und scheppert. Gleichwohl: Dirigent Daniel Boico und Pianist Becker haben sichtlich Vergnügen an diesem buntscheckigem Crossover, das vom Publikum am Ende mit großem Wohlwollen honoriert wird.

Haydn rückt in Richtung Chopin

Solche Aufgeschlossenheit für ein Klavierkonzert spricht für das Publikum. Aber vielleicht war man einfach auch gut eingestimmt durch das erfrischende „Strike up the Band“-Potpourri, mit dem die Symphoniker eröffneten und dem quirlig vorangetriebenen Klavierkonzert von Joseph Haydn, bei dem Markus Becker den langsamen Adagio-Teil nicht nur in Richtung Chopin rückte, sondern in seiner Solokadenz frech musikalische Zitate einbaute, die vorher bereits bei Gershwin zu hören waren.

Mit Ferde Grofés großer „Grand Canyon Suite“ beendet man den Konzertnachmittag. Über 450 Kilometer schlängelt sich der Colorado-Fluss durch die Plateaulandschaft. Grofé, der stets auch als Arrangeur eine Liebe für den Jazz pflegte, schrieb mehrere symphonische Huldigungen an Amerikas Landschaften. Aus einem atmosphärischen Naturidyll heraus bauen sich die Sätze in bemerkenswerter Dynamik auf: Beim sintflutartigen Wolkenbruch im Finale leistet nicht nur der Schlagzeuger an der Windmaschine Schwerstarbeit.

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