Genre-Grenzen sind ihr egal: Maren Kames in Nürnberg

15.1.2018, 10:26 Uhr
Maren Kames stattet dem Z-Bau einen Besuch ab.

© Foto: Mathias Bothor Maren Kames stattet dem Z-Bau einen Besuch ab.

Frau Kames, wie masochistisch muss man heute sein, um Lyrikerin zu werden?

Maren Kames: Das ist eher ein Klischee, auch wenn das Wort (Klischee) böse klingt. Aber hinter Klischees steckt ja oft auch ein Stück Realität. Natürlich ist das nicht die meist gelesene Gattung der Gegenwart. Das hat aber umgekehrt auch die schöne Seite, dass man als Schreibende gefühlt viel mehr Freiraum zur Abweichung, meinetwegen zum Absurden, Ungewöhnlichen hat. Meiner Erfahrung nach steckt der Masochismus aber auch in der Eigenwahrnehmung von Lyrikern, die dazu tendieren, sich zusätzlich selbst zu marginalisieren. Ich finde, die Spielräume in dem Genre sind viel größer als die Assoziationen, die man dazu hat: 18. Jahrhundert, armer Tropf in seiner Kammer und so. Es gibt in der Gegenwartsliteraturszene genug Beweise, dass Lyrik eine Form ist, mit der man performativ sehr viel machen kann und die vielleicht sogar spannender oder unterhaltsamer ist als eine schlichte Wasserglas-Lesung aus einem Roman. Ganz generell muss ich aber sagen: Meine Art zu Schreiben hat sich über Jahre entwickelt und wird jetzt meist als Lyrik bezeichnet. Das entspricht aber nicht unbedingt meiner Einordnung, zumindest hab ich mich nicht programmatisch für eine Gattung entschieden und will mich auch nicht für immer darauf festlegen.

 

Was ist es dann?

Kames: Mein Zugehen auf einen Text ist in aller erster Linie ein spielerischer, der mich im besten Fall selbst überrascht und offen dafür ist, ihn in verschiedene Formate zu übersetzen. Die Einordnung in Schubladen passiert meistens nachträglich und bleibt immer irgendwie Kompromiss. Auf dem Cover von "halb taube halb pfau" ist das Gattungslabel bewusst weggelassen. Weil es für mich eben auch formal halb halb ist, genau auf der Mitte zwischen Prosa und Lyrik. Dadurch grenzt man auch niemanden aus, der bei Lyrik sofort sagt: "Hab’ ich seit der Schule nicht mehr gelesen, fand ich schon immer grauslich und viel zu kompliziert!" Ein Text sollte erstmal einfach für sich stehen, die Einordnungen kommen dann von selbst. Das sollen andere machen. Manche Leute haben sogar gesagt, sie empfinden "halb taube halb pfau" als eine Art Abenteuerroman.

Könnte es sein, dass Sie auch einen "richtigen" Roman schreiben?

Kames: Theoretisch schon (lacht). Das ist keine Koketterie, wenn ich sage, ich werde und will mich niemals festlegen. Ich weiß tatsächlich vorher nie, wohin sich mein Schreiben gerade entwickelt, und lasse das absichtlich auch eine ganze lange Weile frei vor sich hinwuchern. Alles andere würde den Text irgendwie einzäunen und schrumpfen lassen und er könnte nicht mehr machen, was er will.

Hier  finden Sie ein Soundbeispiel!

Ihre Texte wirken sehr introspektiv. Könnten Sie sich vorstellen, auch politische Aspekte reinzubringen?

Kames: Der letzte längere Text, den ich geschrieben habe, ist tatsächlich dezidiert politisch. Es ist eine Art Monolog von Walen, die sich über den Zustand der Demokratie auslassen. Obwohl ich da so viel mit Absurdität gearbeitet habe, dass das Politische auf eine Art wieder unterlaufen wird. Aber ich finde, auch Texte, die nicht explizit ein politisches Thema in den Mittelpunkt stellen, können einen politischen Effekt haben, zum Beispiel wenn es um das Hinterfragen von Wahrnehmungsstandards oder Verschiebungen im Umgang mit Sprache geht.

Ihre Lesungen, gestalten Sie performativ. Unter anderem verwenden Sie Sounds. Wie sieht das genau aus?

Kames: Meine Texte wollten irgendwie schon immer gesprochen werden. Deswegen gab es von Anfang an die Idee, sie zu vertonen, und das auch mit ins Buch aufzunehmen. Das geschieht in Form von QR-Codes für Smartphones, die auf Audiostücke verlinken. Das war der Versuch, die inhaltliche Ebene, in der es viel um nicht erkundete Landschaft geht, um Schnee, Stille, Kälte, in einen Klangraum zu übersetzen. Dafür habe ich mit der Hörspiel-Regisseurin Milena Kipfmüller und dem Kontrabassisten Klaus Janek zusammengearbeitet. Was wir komponiert haben, ist auch bei den Lesungen zu hören.

Was für ein Publikum sitzt denn in Ihren Veranstaltungen?

Kames: Teilweise kommt klassisches Literaturhaus-Publikum, das eher älter ist und tendenziell am Anfang erstmal irritiert, weil es das, was ich mache, nicht so richtig einordnen kann. Ich habe aber viele schöne Reaktionen bekommen, von Menschen aller Altersklassen und Schichten. Deswegen glaube ich nicht, dass mein Text nur jüngere Leute anspricht oder ein alternatives Publikum.

Maren Kames: halb taube halb pfau. Secession Verlag, Berlin. 150 Seiten, 35 Euro. Lesung am Donnerstag, 18. Januar, 20.30 Uhr, Z-Bau, Frankenstraße 200.

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