"Get out": Begegnung auf gefährlichem Terrain

8.5.2012, 19:43 Uhr

© Foto: UPI

Nächtliche weiße Vorstadtsiedlungen sind gefährliches Terrain für den, der nicht die richtige Hautfarbe hat. Zu Beginn des Films sieht man einen jungen Afroamerikaner, der sich im Labyrinth der menschenleeren Straßenzüge verirrt hat. Auf der anderen Seite rollt langsam ein Wagen heran, wendet, aus dem Fenster tönt bedrohlich das Lied "Run, Rabbit, Run". Ein paar Sekunden später liegt das Opfer narkotisiert im Kofferraum.

Viele Horror-Filme beginnen so, doch hier wird eben kein verängstigtes weißes Mädchen entführt, sondern ein Schwarzer. Mit dieser Szene – und den schrillen Geigenklängen (schon der geniale Soundtrack sorgt für viel Nervenkitzel) katapultiert "Get out" den Herzschlag des Zuschauers vom Start weg auf 180. Das Opfer wird im Film keine Rolle mehr spielen, doch wirkt sein Schicksal wie ein böses Omen für Chris.

Seit fünf Monaten ist der Fotograf (Daniel Kaluuya) sichtlich glücklich mit Rose (Allison Williams) liiert – Zeit, ihren neuen Freund den Eltern vorzustellen, findet sie. "Wissen sie, dass ich schwarz bin?", fragt Chris vorsichtshalber. Rose lacht ihn aus. Sie wissen es nicht, aber das sei kein Problem. Ihre Eltern seien keine Rassisten, ihr Vater hätte Obama auch ein drittes Mal gewählt.

Tatsächlich fällt die Begrüßung auf dem herrschaftlichen Anwesen der Armitage-Familie betont herzlich aus. Chris wird umarmt, als sei er der langersehnte Schwiegersohn. Nur die Hausangestellte (Betty Gabriel) und der Gärtner (Marcus Henderson) beäugen ihn mit ihrem irritierend zombiehaften Lächeln feindlich. Dass beide Farbige sind, veranlasst Roses Vater (Bradley Whitford), ein Neurochirurg, Chris eilends seiner politischen Korrektheit zu versichern. "Ich hasse das, dieses Klischee zu erfüllen."

Doch hier stimmt etwas nicht. Das spürt Chris, dessen bester Freund ihn vor dem Besuch gewarnt hatte und mit seinen Vorurteilen gegenüber Weißen leider richtig liegt, bald. Trotz der jovialen Freundlichkeit kann der Vater sein rassistisches Denken kaum verbergen. Als er erfährt, dass Chris raucht, empfiehlt er ihm eine Hypnosesitzung bei seiner Gattin, eine Psychiaterin. Catherine Keener verleiht der Frau mit der mütterlichen Fassade fast hexenhafte Züge. Sie wird Chris, ohne dass er es zunächst merkt, tatsächlich hypnotisieren und zurück in ein frühes Trauma stürzen – eine der beklemmendsten Szenen des Films.

Am nächsten Tag sind die Freunde der Familie zur Gartenparty geladen. Regisseur Peele inszeniert das Treffen lustvoll als Freakshow und entlarvt präzise die unterschwelligen Ressentiments der sich so offen gebenden weißen Oberschicht. Was sich später im Keller des Hauses Armitage zuträgt, ist wieder pures Horrorkino mit Frankenstein-Anleihen.

"Get out" ist durchaus provokant, doch führt der Film nachhaltig vor Augen, dass der Rassismus in Amerika auch in der Post-Obama-Ära nicht überwunden ist. Dass er sich unter Trump teils wieder schamlos offenbart, gibt dem Film seine beunruhigende Brisanz. Zugleich erweist sich Jordan Peele bereits in seinem Regie-Debüt als Meister des Horror-Genres, der intelligentes Spannungskino mit treffendem Witz verbindet und dabei den Finger in eine klaffende Wunde seines Landes legt. (USA/104 Min.)

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