Gostenhof rückt in den Fokus der Filmbranche

16.8.2018, 13:37 Uhr
Gostenhof rückt in den Fokus der Filmbranche

© Foto: Günter Distler

Pius Maria Cüppers leiht in "Sweet Country" dem berühmten neuseeländischen Mimen Sam Neill ("Jurassic Park") seine Stimme, Jochen Kuhl spricht die Rolle von Bryan Brown ("Gorillas im Nebel"). Auch in den kleineren Parts sind vertraute Stimmen wie die von Marco Steeger, Thomas L. Dietz, Rebecca Kirchmann oder Thomas Witte vom Gostner Hoftheater zu hören. Der Film von Warwick Thornton, in Venedig 2017 mit dem Spezialpreis der Jury gekürt, thematisiert die brutale Herrschaft der Weißen über die Ureinwohner Australiens und erzählt die wahre Geschichte eines Aborigines, der 1929 in Notwehr einen Weißen erschoss.

Normalerweise würde ein Film dieses Kalibers in den Studios in München oder Köln synchronisiert. Doch diesmal ging der Auftrag an den Nürnberger Filmverleih Grandfilm, der sich – 2014 von Stefan Butzmühlen, Mikosch und Patrick Horn gegründet – einen hervorragenden Ruf erworben hat. Jüngst in Locarno oder im Mai in Cannes erlebte Butzmühlen: "Auch die großen Produktionsfirmen gucken jetzt nach Nürnberg. Durch Grandfilm ist die Stadt ins Licht der internationalen Filmbranche gerückt".

Interesse an neuen Sichtweisen

Von Anfang an hat sich das Trio mit hohen Ambitionen an die Sache gemacht, brachte zum Verleih-Start "Norte – The End of History" des auf den A-Festivals gefeierten philippinischen Regisseurs Lav Diaz in die deutschen Kinos. Ausschlaggebend dafür war jedoch nicht Diaz’ Prominenz, sondern die Art und Weise, wie er seine Geschichten erzählt. Im Grandfilm-"Manifest" ist es so formuliert: "Für uns sind Filme groß, die den Zuschauer auf einen Diskurs einladen, einen Raum öffnen, der eine neue Sichtweise ermöglicht." Ob das gelingt, hat eben auch viel mit Sprache zu tun, mit der Qualität der Synchronisation, ohne die in Deutschland – anders als in anderen Ländern, wo die Originalfassungen mit Untertiteln laufen – kaum ein Film ein größeres Publikum erreicht.

Da es die Grandfilm-Macher jedoch "total frustrierend" fanden, wie in den großen Synchron-Studios mit Filmen umgegangen wird – "da herrscht ein wahnsinniger Preisdruck, es geht nur darum, so viele Takes wie möglich pro Minute durchzuhauen" –, will man nun auch diesen wichtigen Teil selbst in die Hand nehmen.

Der erste in Nürnberg synchronisierte Bundesstart war die spanische Produktion "Fridas Sommer". "Das ist ein Film, der auch für Kinder wunderbar funktioniert, aber dafür muss man ihn übersetzen", so Butzmühlen. Die Sprecherinnen für die Kinderrolen wurden im "erweiterten Bekanntenkreis" gecastet. "Sie waren phänomenal", schwärmt er über die Spontanität und Echtheit, mit der die Kids in ihre Rollen eingestiegen sind.

Viele Freiheiten

Auch für Tonmeister Robert Kellner, der das Gostenhofer Studio mit drei Kollegen vor 18 Jahren gründete, und hier – ausgestattet mit digitaler Highend-Technik und einer 5.1-Surround-Anlage –, das Sounddesign für etliche, oft preisgekrönte Filme und Fernseh-Dokumentationen schuf, war die Synchronarbeit eine spannende neue Erfahrung. Zwar enthalten die angelieferten Tonspuren eines Films sämtliche Geräusche, nur die Stimmen fehlen. Doch blieben Kellner viele Freiheiten bei der Wahl der Tonperspektive, ob die Stimmen nach Studio- oder Außenaufnahmen klingen, welche Atmosphäre geschaffen werden sollte.

Das nächste Projekt von Grandfilm ist der neue Film des rumänischen Arthouse-Regisseurs Radu Jude. Auch mit Komplizenfilm, der Produktionsfirma von Maren Ade, ist man im Gespräch. "Ich glaube, dass es im Bereich Synchronisation für uns ein großes Potenzial gibt", sagt Stefan Butzmühlen. "An dem Preis-Battle der Szene werden wir uns aber nicht beteiligen. Für uns ist das ein kultureller Auftrag."

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