Gottesfürchtiger Held wider Willen

16.1.2017, 13:45 Uhr
Gottesfürchtiger Held wider Willen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Christian Auer vertonte Texte von Nina Schneider nach einer Vorlage Wolfgang Adenbergs, Werner Bauer brachte den klingenden Kirchenthriller mit bewusst sparsamen Mitteln auf die Bühne – und erzielt damit maximale Wirkung. Nicht zuletzt, weil er sich mit Thomas Borchert auf einen Hauptdarsteller verlassen kann, der aus dem historischen Martin Luther eine greifbare Persönlichkeit jenseits von wohlfeilen Klischees und Schablonen zu formen versteht.

Luther bleibt auch als Theaterfigur widersprüchlich und komplex, ist gewiss keine überlebensgroße Lichtgestalt, sondern eher ein gebrochener Held wider Willen, der nach Wegen sucht, Glauben, Kirche und Klerus zu erneuern. Und der spätestens dann, wenn Bilderstürmer in blindem Wahn Kirchenhäuser verwüsten und die Bauernaufstände Tausenden das Leben kosten, von heftigsten Selbstzweifeln geplagt wird.

Teuflischer Eck

Die Zuordnung von Gut und Böse, richtig und falsch bleibt auf den Theaterbrettern dennoch eindeutiger, kontrastreicher als sie es im richtigen Leben war. Im Stück wird Luther im Auftrag seines großen Gegenspielers Johannes Eck von den Soldaten Herzog Georgs von Sachsen gefangengenommen. Auf der Pleißenburg bei Leipzig klagt Eck seinen Feind der Kirchenspaltung und Häresie an und lässt keinen Zweifel daran, dass er Luther am liebsten tot sähe.

Ramin Dustdar gibt seinem Eck eisige Selbstgewissheit und hinterlistige Souveränität mit. Ein stets von rationalen Überlegungen gesteuerter Schachspieler, der an sich sehr plausible Argumente gegen Luthers Reformationsideen hat, aber die Eigendynamik der von Luther losgetretenen Bewegung unterschätzt.

Zumal der Mönch und Kirchenlehrer Luther es kraft seiner Persönlichkeit schafft, wichtige Verbündete wie den Kurfürsten Friedrich III. von Sachsen auf seine Seite zu ziehen. Ein augenzwinkernder Beobachter des Politikbetriebes, den Klaus Brantzen mit der Herzenswärme und dem Mutterwitz eines sanften Ironikers füllt.

Gegenpol ist Papst Leo X. (gewandter Zyniker: Franz Frickel), der in Rom eine Cancan tanzende Spaßgesellschaft befehligt und in seinen Gläubigen primär deren Ausbeutungspotenzial sieht: Der Neubau des Petersdoms verschlingt viel Geld, durch den Handel mit Ablassbriefen, die der dämonische Demagoge Tetzel (brillant: Michael Kargus) verkauft, soll es beschafft werden.

Starke Frauen

Luther zieht gegen solche und andere Schieflagen des Religionsbetriebs in den Kampf. Dass er ihn gewinnt, verdankt er starken Frauen wie Herzogin Barbara (präsent: Kerstin Ibald) oder seinem ebenso resoluten wie intelligenten Eheweib Katharina von Bora (subtil: Navina Heyne), die ihm Halt und Unterstützung geben.

So vielschichtig wie die Person Luther ist auch die Musik geraten. Christian Auer, der auch am Dirigentenpult steht, hat eine Tonsprache zwischen Musical-Pop und archaisierenden Elementen gefunden, die Raum für Ohrwürmer und herzerweichende Arien-Einlagen lässt. Die historisch belegte Disputation zwischen Luther und Eck wird zum heißen Rap-Battle, der Bauern-Freiheitschor zum Finale zitiert sehr bewusst „Les Misérables“, ohne epigonal zu wirken. Auch wenn der Musical-Luther eine Spur zu nobel daher kommt, macht er dennoch den Menschen hinter dem Reformator fassbarer. Nicht der schlechteste Start ins Luther-Jahr.

Nächste Vorstellung am morgigen Dienstag, 17. Januar, 19.30 Uhr; www.stadttheater.de; mehr Bilder auf www.nordbayern.de

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