Harald Nützel hat noch was zu sagen

28.9.2017, 16:06 Uhr
Harald Nützel hat noch was zu sagen

© Udo Güldner

Eigentlich müsste Regenauer, der alte Hase im Kabarett, langsam wissen, wie es geht. Schreiben, proben, spielen — sein täglich Brot seit Jahren und vielen erfolgreichen Programmen. Und dennoch sagt er, unruhig auf dem Stuhl hin und herwetzend: "Es ist jedes Mal nervenzerfetzend!"

Lampenfieber kann man das nicht nennen, es ist der selbst gemachte Druck, der ihn kribbelig werden lässt. Ein Jahr lang geht er schon mit der Idee schwanger, sein langjähriges Alter Ego Harald Nützel vom Berater im Heimatministerium zum Selbstfinder und Persönlichkeits-Coach umzuschulen. "Nach einer langen Tour mit einem Programm klopft man sich ab, ob man noch am Puls der Zeit ist. Dann wird man irgendwann nach innen neugierig, was da noch so an Ideen schlummert", beschreibt Regenauer den Prozess, in dem ein neues Programm reift. "Dann geht das Kopfkino bei mir los."

Nützel hat noch was zu sagen, findet sein Erfinder. Nach dem Auszug aus dem Heimatministerium (am Ende des letzten Programms) verfällt er jetzt den Thesen eines Selfcoaching-Gurus namens Jerry Saltzman. "Ich habe mich dann in der Recherche fast verloren", erzählt Regenauer. Unmengen von Psycho-Coaches bieten ihre Dienste an und erzählen allen Verunsicherten, dass sie mehr aus sich herausholen können und sollen. Wie windig die Versprechungen sind und wie dramaturgisch raffiniert diese Seminare viel Leere vermitteln, hat Regenauer im Programm nachvollzogen.

Auf zum Aufbau-Seminar

Harald Nützel hat noch was zu sagen

© PR

So wird sein Nützel also Coach und lässt den Zuschauern "ein Aufbau-Seminar zur Stärkung menschlicher Schwächen" angedeihen. "Das Entscheidende ist, diese Phrasen in Nützels Sprache zu übersetzen. Er spricht die vorgegebenen Sätze in seiner ganz eigenen Art und kippt auch manchmal aus dem Konzept, um sich wieder kurz zu sammeln", verrät der Autor.

Wie schreibt man als politisch denkender Künstler an einem Programm, wenn rundherum der Wahlkampf dümpelt und die Realität manchmal die Satire einholt? "Ich will ja kein tagespolitisch aktuelles Programm machen, aber ein gesellschaftlich relevantes", sagt Regenauer. Die jetzt wieder live laufende "Metzgerei Boggnsagg" sei sein künstlerisches Spielbein, die Programme, die dem aktuellen (fränkischen) Geist nachspüren, sein Standbein. "Ich will die Gesamtlage der Menschen erspüren."

Lernen auf der Wiese

Und dann steht das Programm, mit "guter Pointendichte", wie er selbst sagt, und will einstudiert werden. Viele Tage sah man Bernd Regenauer um die Wöhrder Wiese wandern, mit Textheft in der Hand. "Das ist schon anders als ein Theatertext. Eine Pointe muss vorbereitet sein, man muss vom Tonfall her schon auf das Ziel zehn Sätze weiter hinarbeiten", sagt der Künstler, der am liebsten in Bewegung denkt und lernt.

"Der Zeitdruck ist immer da" sagt er, kurz vor den Vorpremieren, die ein wichtiges Messinstrument für alle Kabarettisten sind. "Das spürt man schnell, wo es noch hakt." Die Latte legt er selbst hoch, "ich mache mir den Druck selber. Und ich frag mich schon immer, warum ich mir das antue", sagt er zweifelnd – und grinsend.

Dehnberger Hoftheater, dort bis 30. 9., Tel. 0 91 23 / 9 54 49-0; am 6. und 7.10. im Hubertussaal Nürnberg, Karten-Tel. 09 11/ 26 15 10.

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