Herman van Veen in Nürnberg

25.10.2016, 18:40 Uhr
Herman van Veen in Nürnberg

© Foto: Matthias Hertlein

Es war einmal ein alter Zauberer. Sein spärliches Haar war weiß wie Schnee, sein Hemd rot wie Blut und seine Hose schwarz wie Ebenholz. Sein Deutsch klang seltsam und lustig. Er konnte sich im Handumdrehen von Alfred Jodocus Kwak in Schneewittchen oder Rumpelstilzchen verwandeln – und Erwachsene in Kinder. Mit seinem Gesang und seiner Geige rührte er die Herzen der Menschen so, dass sie Hoffnung schöpften und wieder an das Gute glaubten. Und wenn er nicht gestorben ist, dann zieht er noch heute durch die Lande wie seit 50 Jahren. Ganz der Alte, jung geblieben und immer wieder anders.

Auch die Meistersingerhalle hat Herman van Veen im Laufe der Jahre regelmäßig auf seinen Gastspielreisen besucht. Das Publikum ist mit ihm älter geworden und bringt inzwischen Kinder und Kindeskinder mit, die mit seiner Musik aufgewachsen sind. Irgendwie gehört der Menschenfreund aus Holland fast schon zur Familie. Man weiß schließlich, was ihn beschäftigt, belustigt oder besorgt. Gott und die Welt ist sein Thema, das eigene Alter und der Tod rückt immer mehr ins Blickfeld. Der alte Spaßmacher ist melancholisch und leiser geworden. In einer Zeit, in der Horror-Clowns für Schlagzeilen sorgen, ist Schluss mit lustig.

Was viele Künstler vergeblich versuchen, hat Herman van Veen längst erreicht: ein Alleinstellungsmerkmal. Seine bunte Mischung aus Klamauk und Kammermusik, höherem Blödsinn und Poesie, Sketchen und Liedern ist einzigartig.

Nach dem Tod seines Weggefährten Erik van der Wurff hat sich Herman van Veen musikalisch völlig neu orientiert: Junge Musiker senken den Altersdurchschnitt in seiner Band auf 33 Jahre. Neben den Langzeit-Begleiterinnen Edith Leerkes (Gitarre) und Jannemien Cnossen (Geige) sind neuerdings fünf junge Talente mit von der Partie. Zusammen bilden sie einen veritablen Klangkörper, mit acht Köpfen, 16 Beinen und Armen. Er atmet und bewegt sich rhythmisch auf der Bühne. Noch nie war der Holländer mit einem so großen Ensemble auf Tour. Anspruchsvoll, aufregend und abwechslungsreich wie selten die Musik, die sich aus vielen Quellen speist. Im Zentrum des Abends stehen die Songs vom aktuellen Album „Fallen oder Springen“, die ganz beiläufig auch brisante Themen zur Sprache bringen. Etwa Datenklau und Überwachung via Internet („Offenes Geheimnis“) oder Kinderelend („Die unbekannten Kinder“).

Zu den Kunststücken dieses grandiosen Unterhaltungskünstlers gehört, dass er den Spagat zwischen Politischem und Persönlichem, zwischen Ernst und Albernheit noch immer mühelos schafft. Besonders in der zweiten Konzerthälfte ist dieses Wechselbad der Gefühle besonders anregend.

Zwischen den Liedern streut van Veen Prosatexte aus seinen Memoiren ein. Auch sie machen deutlich, dass er das Leben und die Welt im Grunde immer noch aus der Kinderperspektive betrachtet. Nur Wunderbares ist Wahres. Träume, Erinnerungen, Erlebtes und Erdachtes bilden ein großes Ganzes. Im Grunde ist alles ganz einfach, wir machen es uns nur kompliziert.

Fallen oder Springen? Aktiv handeln oder passiv bleiben, das muss jeder für sich entscheiden, meint Herman der Holländer. Ganz am Schluss, als viele Besucher schon aus dem Saal sind, kehrt er noch einmal für Zugaben zurück und singt sein altes Lied „Ich hab’ ein zärtliches Gefühl“.

CD-Tipp: Herman van Veen, „Fallen oder Springen“ (Universal)

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