„In Unterhosen mit dem Bier in der Hand“

9.11.2011, 17:21 Uhr
„In Unterhosen mit dem Bier in der Hand“

© EMI

Samu, habt ihr immer noch die besten Idee für neue Songs, wenn ihr um fünf Uhr morgens aus der Band-eigenen Sauna kommt?

Samu Haber: Die Ideen kommen, wann sie wollen, wir können das nicht kontrollieren. Manche Songs haben ihren Anfang in der Sauna, andere in einem Skilift in der Schweiz. Wichtig ist nur, dass man die Idee sofort aufnehmen kann, um sie mit nach Hause zu nehmen, um dort möglicherweise ein ganzes Stück daraus zu machen.

Aber beides ist euch tatsächlich schon mal passiert?

Haber: Ja, und das sind wohl die beiden abgefahrensten Orte.

Eure Plattenfirma hat dich im Zuge eures letzten Albums nach LA geflogen, damit du dort mit einigen sehr bekannten Songschreibern zusammenarbeitest. Wie war diese Erfahrung für dich?

Haber: LA ist ganz nett, wenn man nur zwei oder drei Wochen dort ist. Leben könnte ich dort niemals, das ist mir zu viel Kaugummi- und Popcorn-Atmosphäre. Ich hab zwar viele Lieder mit diesen Songschreibern gemacht, aber keiner ist dann auf unserem Album gelandet. Aber ich habe dort ganz alleine unser Stück „Hollywood Hills“ geschrieben. Der Rest roch zu sehr nach Musik-Industrie-Produkt, also haben wir alle anderen Songs weggegeben und die sonstigen Album-Tracks zusammen in Europa geschrieben.

Du hast also aus dieser LA-Session gar nichts für euch behalten?

Haber: Ein Stück hab ich behalten, sollte ich jemals ein Akustik-Solo-Album machen. Der Rest klang viel zu sehr nach kalkulierter Popmusik. Für mich war es aber trotzdem eine gute Erfahrung, und ich habe gerne mit ein paar der weltbesten Songschreiber zusammengearbeitet. Es hat mir auch gezeigt, dass ich mich mit meinen Fähigkeiten vor niemandem verstecken brauche und durchaus mit diesen Leuten in einer Liga spielen kann. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Band immer noch gute Musik schreiben kann, egal wo sie sich befindet. Wir müssen nicht nach LA fliegen, um dort gute Lieder zu schreiben.

„In Unterhosen mit dem Bier in der Hand“

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Ihr wollt erfolgreich sein, aber eben nicht um jeden Preis?

Haber: Richtig. Außerdem glaube ich, dass der große Erfolg ausbleiben würde, wenn man zu viel auf das gibt, was einem die Leute der Musikindustrie so erzählen. Die wollen doch nur Alben verkaufen, aber wir wollen eine Band sein. Natürlich gehen die Meinungen manchmal auseinander, was eine gute Single wäre, aber grundsätzlich kommen wir bestens mit unserer Plattenfirma aus und ich bin froh, dass sie unsere Entscheidung, was die LA-Songs anging, verstanden hat.

Aber war es nicht komisch für dich als Vollblut-Bandmusiker, mit diesen rein erfolgsorientierten Songschreibern zusammen zu arbeiten?

Haber: Naja, ich liebe Herausforderungen. In der Woche vor mir waren Bon Jovi dort, am Tag vor mir war Pink in diesem Studio und so musste ich schon zeigen, was ich drauf habe. Für mich war die Herangehensweise an diese Sache von vorne herein klar: Wenn etwas gutes dabei herauskommt, dann nehmen wir es natürlich und wenn nicht, war es einfach ein netter Trip nach LA, was dann ja auch zutraf.

Was hast du aus dieser ganzen Sache gelernt?

Haber: Musik ist nur Musik, und Musik ist Kunst - und etwas ganz Einfaches. Sie berührt dich und die Leute und kann nicht durchgeplant werden. Natürlich wusste ich das vorher schon in der Theorie, aber es war schön, tatsächlich dort hinzugehen und zu merken, dass es keine Abkürzungen oder Zaubertricks gibt, um einen Hit zu schreiben.

Interessanter Weise hast du dort ganz alleine den Song geschrieben, der zu eurem bisher größten Hit geworden ist: „Hollywood Hills“. Was hat dich dazu inspiriert?

Haber: An meinem letzten Abend saß ich in Unterhose und mit einem Bier in der Hand auf dem Hotelbalkon und hatte alle meine Sachen schon gepackt. Ich war sehr zufrieden, wie alles gelaufen war, da ich vorher wegen dieser vielen bedeutenden Leute ganz schön nervös gewesen war. Und als ich da so saß und auf auf das große Hollywood-Schild am Berg schaute, sagte ich so vor mich hin: Bye, bye Hollywood hills. Dazu hatte ich noch eine Melodie im Kopf und dann habe ich meine Gitarre wieder ausgepackt und habe eine sehr dilettantisches Demo-Version aufgenommen. Das ist die absolute Wahrheit.

„In Unterhosen mit dem Bier in der Hand“

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Wie ironisch, dass dieser Song dann zu eurem neuen großen Hit wurde!

Haber: Allerdings! Ich habe auch ein paar sehr böse E-Mails von einigen der Songschreiber bekommen: Warum hast du nicht unseren Song als erste Single genommen, der wäre viel erfolgreicher geworden! Und ich dachte mir nur: Du kannst mich mal gern haben!

Fast alle deutschen Radiosender spielen eure Songs, egal welches Format. Hast du eine Erklärung dafür?

Haber: Keine Ahnung! Vielleicht weil wir keine Gefahr darstellen und einfach ein paar ganz normale Typen sind. Es scheint, als ob wir eine der letzten echten Rockbands auf der Welt wären, da gerade jeder ja irgendein R&B-Projekt am Start zu haben scheint. Unsere Musik hat vielleicht auch etwas Volkstümliches, da sie aus einfachem Songwriting und simplen Texten und Melodien besteht. Sonst dreht sich heutzutage doch alles nur noch um eine fette Produktion.

„In Unterhosen mit dem Bier in der Hand“

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Hast du ein Talent, Radio-Hits zu schreiben?

Haber: So etwas gibt es nicht. Auch wenn man das von Pink oder Bruno Mars glauben könnte, schreiben sie einfach nur Musik. Es kommt einfach nur auf den richtigen Zeitpunkt an und ob die Sterne gerade günstig stehen. Wir schreiben Songs, die wir mögen und basta!

Es besteht zweifelsohne ein besonderes Verhältnis zwischen Sunrise Avenue und Deutschland. Kannst du dies beschreiben?

Haber: Unser internationaler Erfolg hat in Deutschland begonnen. Das Gute an Deutschland ist auch, dass es selbst in ganz kleinen Städten wie Bad Eutenhausen einen Club gibt, in dem man auftreten kann. In Finnland, Frankreich oder Spanien ist das nicht so. Doch hier gibt es immer eine ordentliche Anlage und Securitys und alles ist so gut organisiert. Wir haben hier schon überall gespielt, du willst gar nicht wissen, wo wir schon gewesen sind. Außerdem gibt es hier im Sommer jedes Wochenende ein tolles Festival. Wir haben hier einfach schon so viel gespielt und es scheint den Leuten zu gefallen.

Was gefällt dir an Deutschland?

Haber: Das sind so viele Dinge, die kann ich gar nicht alle aufzählen. Was mir nicht gefällt sind euer komisches Toilettensystem an Autobahnrastanlagen, diese seltsame Currywurst und eure Fernsehwerbung für Sexhotlines in der Nacht. Aber ansonsten ist hier alles andere einfach klasse!

„In Unterhosen mit dem Bier in der Hand“

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Dein Vater ist Deutscher, was ist deutsch an dir?

Haber: Ich spreche ziemlich gut Deutsch und ich habe deutschen Humor.

Schreibst du eigentlich immer noch an deinem ersten Buch?

Haber: Ja, es ist ein Projekt ohne Deadline und wird irgendwann erscheinen. Vielleicht kommt es ja mit dem nächsten Album heraus. Für mich ist das wie Eigentherapie. Indem ich etwas aufschreibe, bekomme ich es aus dem Kopf. Dazu schreibe ich auch noch jeden zweiten Tag in meinen Blog. Auf jeden Fall stehen ein paar sehr interessante und wahre Geschichte drin, die uns passiert sind. Deshalb muss ich das Buch auch noch etwas zurückhalten, sonst verhauen mich meine Jungs in der Band.

Du hast einmal gesagt, dass du nach deiner Karriere mit Sunrise Avenue gerne Band-Manager werden möchtest. Welche alte und welche aktuelle Band hättest du gerne betreut?



Haber: Hm, ich hätte nicht zu tief in dieses Heroin-Ding reingezogen werden wollen, deswegen sagen ich jetzt nicht die Red Hot Chili Peppers. Früher wären Bon Jovi interessant gewesen, weil sie nach draußen so ein glattes Image haben aber hinter den Kulissen sicher trotzdem viel passiert ist und alles so durchkommerzialisiert ist. Aktuell würde ich wohl einen Solo-Künstler nehmen, wahrscheinlich John Major. Er macht Werbung für Apple und Nokia, das wäre sicher sehr interessant.

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