Kämpferischer Melancholiker

24.1.2018, 18:10 Uhr
Kämpferischer Melancholiker

© Peter Kneffel/dpa

"Ich bin kein großer Ansager", entschuldigt sich Gisbert zu Knyphausen gegen Ende seines wunderschönen Konzerts, "aber wenn ich nichts zu sagen habe, dann sage ich lieber nichts." Eine in diesen geschwätzigen Zeiten geradezu rebellische Aussage. Dabei hat der abseits seiner Musik so zurückhaltend, geradezu schüchtern wirkende Sänger, Gitarrist und Songschreiber selbstredend jede Menge zu sagen, nur bedürfen seine Lieder eben keiner Erklärung, sondern sprechen voll und ganz für sich selbst.

Fünf Jahre gab es kein neues Album des Wiesbadeners, der nach dem überraschenden Tod seines Freundes und musikalischen Partners Nils Koppruch erstmal die Öffentlichkeit scheute. Nun ist mit "Das Licht dieser Welt" ein überraschend sanftes Werk erschienen, auf dem der aufbrausende Schmerz der ersten Alben wie durch einen sepiafarbenen Filter gemildert erscheint.

Bei der Live-Präsentation mit seiner hervorragenden neuen Band schickt Gisbert sein vornehmlich junges Erwachsenen-Publikum dann aber nichtsdestotrotz durch eine aufwühlende, emotionale Tour-De-Force. Mit unprätentiöser Beiläufigkeit greift er die großen Themen des menschlichen Daseins auf: Die Unmöglickeit dauerhaften Glücks, die Vergeblichkeit und Unverzichtbarkeit der Liebe, der Tod als Unverschämtheit und Erlösung und die Lebendigkeit eines einzelnen kostbaren Augenblicks, der all das Schlamassel doch lohnenswert macht. Allgemeinplätze? Nein. Wer Zeilen schreibt wie "Also schwebst du, benebelt vom Whiskey, wie eine eiernde Frisbee über den Strand/ ein elegant wankender, am Wohlstand erkrankender Mann", der hat die ganze Tragikomik des Daseins in einem winzigen Detail entdeckt.

Darüber darf man aber nicht die Großartigkeit der Musik vergessen: Knyphausen, selbst ein versierter Gitarrist, hat fünf ausgebuffte Musiker um sich geschart, die an Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboard, Trompete, Posaune und Perkussion einen reichen Sound erschaffen, der mit Liebe zum Detail arrangiert ist und mit einer enormen dynamischen Bandbreite aufwartet. Immer wieder wird die melancholische Grundstimmung durch wild rockende Ausbrüche kontrastiert, was den Liedern jene unangepasste Kantigkeit verleiht, die dem Gros des deutschen Befindlichkeitspops so bitter abgeht.

Zwei der neuen Stücke singt Gisbert auf Englisch, warum, wird nicht ganz klar – vielleicht weil man nach Stücken wie der brutal ehrlichen Todes-Reflexion "Kommen und Gehen" auch einfach mal verschnaufen muss. Auf der Zielgeraden dann alte Favoriten wie "Kräne" und "Sommertag" und das von Nils Koppruch geschriebene "Etwas besseres als den Tod finden wir überall". Wie wahr – ganz besonders an diesem wunderbaren Abend.

Verwandte Themen


Keine Kommentare