King Lear lässt ordentlich antanzen

27.2.2015, 19:29 Uhr
King Lear lässt ordentlich antanzen

© Foto: L. Olah/

Nach „twO-thello“, „MacbeTh-ree“ serviert die Nürnberger Kulturpreisträgerin des Jahres 2014 nun mit „Four Lear“ die Spitze ihres Shakespear’schen Drameneisbergs in der gutbesuchten Tafelhalle und beendet (vorerst) ihre Trilogie von Liebe, Verrat und Tod. Doch wie in kaum einer anderen ihrer Inszenierungen flieht sie so konsequent vor der blasierten, imperialen Geltungssucht Shakespear’scher Aristokratie hin zu nackten Tatsachen im Anstaltshemdchen und in Unterhosen. Was am Schluss der zu erwartenden Ränkespiele bleibt, ist nicht viel mehr als nackte Haut und Gehirnsynapsen, die nicht mehr zueinander finden und Trost nur im Vergessen finden können.

Curtis lässt in ihrer kompromisslosen „King Lear“-Adaption mit einem fulminanten Ensemble sprichwörtlich die Hosen runter und entkernt die Vater-Töchter-Tragödie bis auf ihre Grundmauern und das Stammpersonal. Was bleibt, ist ein abdankender King Lear (Susanna Curtis), der seine Töchter Regan, Goneril und Cordelia sprichwörtlich „antanzen“ lässt, um sie in den Ringkampf um seine Gunst und sein Reich steigen zu lassen.

Die Gefallsucht der konkurrierenden Schwestern stellt sich so zuverlässig ein, wie das Amen in der Kirche und steigert sich in einen tödlichen Kampf um Liebe und Macht, bei dem es keine Gewinner gibt.

Das zwillingsgleiche Schwesternduo Goneril und Regan (Traumpaar: Tina Essel und Eva Borrmann) zersetzt sich alsbald mit hartem Blick und kraftvollen Bewegungen in der Fehde um die Vorherrschaft. Klug und mit einer ausgefeilten Personalpolitik besetzt Curtis vor allem die Rolle des Hofnarren mit einem hinreißenden Stefan Drücke, der entfesselt umhergendern darf und als Alter-Ego von Cordelia, der jüngsten abwesenden, aber eigentlich liebsten Tochter Lears, kein Blatt vor den Mund zu nehmen braucht.

Gleichzeitig darf Drücke mit fragendem Blick und kleinem Bauchansatz seine Männlichkeit bestaunen, sich als Earl von Gloucester der eigenen Erbengemeinschaft zum Fraß vorwerfen und den testosterongetränkten Edmund mit Verfallsdatum geben. Ein Coup.

Curtis verzichtet auf rein assoziatives Tanztheater, sondern harmonisiert englische und deutsche Textpassagen zu einem verständigen Miteinander. Sie bleibt nah dran an der Vorlage, bricht diese aber immer wieder mit originellen Regieeinfällen.

Die mobile Bühne schafft Platz für intensive tänzerische Auseinandersetzung mit sensiblen, aber immer wieder komischen Fußnoten. Kurz: Ein Dramen-Konzentrat mit dem Blick aufs Wesentliche und dem Mut, den Gestus des Wahn- und Irrsinns so ernst wie möglich aber so karikierend wie nötig darzustellen. Ansehen!

 

Keine Kommentare