Klassischer Köln-"Tatort": Im Westen wenig Neues

21.1.2018, 21:45 Uhr
Die Kölner "Tatort"-Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär, links) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, rechts) ermitteln in "Bausünden".

© WDR/Martin Valentin Menke Die Kölner "Tatort"-Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär, links) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, rechts) ermitteln in "Bausünden".

Es allen immer recht zu machen, ist nicht leicht. Eigentlich ist es ein Ding der Unmöglichkeit. Die "Tatort"-Verantwortlichen können ein Lied davon singen. Denn die einen Zuschauer finden die Krimis zu gewöhnlich. Die anderen – und diese scheinen in der Überzahl – zu schräg und abgefahren. Die Kritik an der bis dato scheinbar unumstößlichen heiligen Kuh der sonntäglichen Fernsehunterhaltung nahm vor allem nach der Ausstrahlung des Frankfurter Horror-"Tatorts" Fahrt auf. Weil der Krimi beim Publikum derart durchfiel, machten im Anschluss Gerüchte die Runde, der Sender werde weitreichende Veränderungen am Konzept vornehmen und unter anderem eine Art Experimentierobergrenze installieren.

Bei der Programmvorschau des Ersten stellte Jörg Schönenborn, Fernsehfilm-Koordinator der ARD, nun jedoch klar, dass es auch weiterhin experimentelle Fälle geben werde. Obwohl die Sendeleitung wisse, dass all zu verrückte "Tatort"-Krimis sowohl beim Großteil des Publikums als auch bei den Kritikern weniger gut ankämen. "Aber wir machen es trotzdem", betonte Schönenborn gegenüber dem Onlinebranchendienst Meedia und fügte hinzu: "Auch der "Tatort" muss sich stets wandeln, wenn er weiterhin erfolgreich bleiben will."

In Köln gibt's keine Experimente

Großartige Wandlungen oder gar weitreichende Veränderungen finden in Köln bekanntermaßen kaum statt. Die seit zwanzig Jahren Dienst schiebenden Buddy-Cops Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) bekommen es weder mit Geistern, noch mit diesem komischen Internet oder gar einem wüsten Würger wie neulich die Weimarer Kollegen zu tun. Schenks und Ballaufs Gemüse sind zumeist "ganz normale Mörder". So wie Du und ich möchte man fast sagen.

Außerdem betreiben die zwei Old School-Cops eine gemächliche Tätersuche und kochen die Ganoven mittels langatmiger Verhörrunden weich. Im Zusammenspiel mit ihrem unnachahmlichen Betroffenheitsblick legen die Kommissare den Schurken dann das Handwerk. Somit entspricht dieses Gesamtpaket wie kaum ein zweites den klaren Regeln von "Tatort"-Erfinder Gunther Witte. In einem Gespräch mit der Süddeutschen erklärte er unter anderem, dass die Geschichten, die der "Tatort" erzähle, realistisch sein müssten und Science-Fiction nicht in einen "Tatort" gehöre.

Wittes Vorgaben erfüllt der Kölner Ableger auch in "Bausünden". Obwohl Drehbuch-Veteran Uwe Erichsen und sein Co-Autor Wolfgang Wysock direkt zu Beginn ein paar richtig heiße Eisen anschneiden. Rasch wird aber deutlich, um was es im 71. Fall nicht geht. Denn weder die hinlänglich bekannten sozialen Missstände auf den Großbaustellen im Vorfeld der WM in Katar, noch die berufliche Vergangenheit des von Hanno Koffler überzeugend dargestellten Afghanistan-Rückkehrers inklusive Posttraumatischer Belastungsstörung spielen eine übergeordnete Rolle.

Doldingers Musik und ein stiller Abschied

Alles dient hauptsächlich dem Zweck. Und der heiligt bekanntlich die Mittel. "Bausünden" beleuchtet das persönliche Schicksal zweier Menschen, die die meiste Zeit des Jahres tausende Kilometer voneinander getrennt ihrer Arbeit nachgehen, und den damit verbundenen Verwerfungen in deren Privatleben. Eben das zeigt, dass Susanne Baumann eine Frau mit gewissen Neigungen ist. Neigungen, von denen ihr Mann zwar weiß, sie gleichwohl nur aus blinder Liebe toleriert.

Ganz und gar nicht tolerieren kann er allerdings, dass seine Frau nach einem dieser speziellen Hoteltreffs plötzlich wie vom Erdboden verschluckt ist. Weil die Rezeptionistin des Hauses, die mit den Baumanns bekannt ist, kurze Zeit später vom Balkon stürzt und stirbt, gerät der ehemalige Soldat in Verdacht, etwas mit dem Tod der Frau und womöglich ebenso mit dem Verschwinden der Gattin zu tun zu haben. Schenk und Ballauf heften sich an seine Fersen. Doch der Afghanistan-Veteran verschwindet plötzlich vom Radar und ermittelt auf eigene Faust.

Da "Bausünden" klassischer Ermittlungskrimi ist und weitreichende Experimente ein weiteres Mal gekonnt umschifft werden, dürfte er alle Fans der Kölner Folgen zufriedenstellen. So ragt am Ende dieses Films, der immerhin mit einem ordentlichen Showdown aufwartet, kaum mehr als der jazzige Score von Klaus Doldinger heraus. Er verpasst dem Streifen eine beschwingte Note. In einem Cameo-Auftritt ist der Komponist diesmal aber nicht zu sehen. Den hat Regisseur Kaspar Heidelbach. Er mimt einen Zeugen mit Hund und darf drei Sätze aufsagen.

Keinen einzigen Satz mehr aufsagen darf in Zukunft Tobias Reisser (Patrick Abozen). Still und leise verabschiedet sich Schenks und Ballaufs Assi mit dieser Episode aus dem Kölner "Tatort". Warum ist nicht bekannt. Dass er das Opfer eines womöglich schiefgegangenen dramaturgischen Experimentes ist, darf bezweifelt werden. Denn die finden ja bekanntlich anderswo statt.

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