Köln-"Tatort": Gewalt erzeugt Gegengewalt

15.1.2017, 21:46 Uhr
Dieter Gottschalk (Sylvester Groth, 3.v.r.) will mit der Bürgerwehr für Ruhe und Ordnung sorgen. Rassissmus will er sich nicht vorhalten lassen, auch nicht von den Kommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.) und Freddy Schenk.

© WDR/Thomas Kost, Dieter Gottschalk (Sylvester Groth, 3.v.r.) will mit der Bürgerwehr für Ruhe und Ordnung sorgen. Rassissmus will er sich nicht vorhalten lassen, auch nicht von den Kommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.) und Freddy Schenk.

Zugegeben: Die Kurzfassung von "Wacht am Rhein" liest sich für "Tatort"-Kenner auf den ersten Blick furchteinflößend. Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) inmitten eines Krimis, in dem ein paar wildgewordene Freizeit-Sheriffs auf stereotype Jungganoven aus Nordafrika prallen und ein brauner Mob im feschen Freizeit-Look südländisch aussehende Zugezogene unter Generalverdacht stellt. Vieles deutet also auf einen neuerlichen Themen-"Tatort" hin. Und dann auch noch in Köln. Es ist mit dem Schlimmsten zu rechnen.

Doch glücklicherweise verläuft der 68. Fall der zwei Colonia-Cops etwas anders als erwartet. Er endet nicht in einem hoffnungslos übertriebenen Moralapostelgipfel. Na gut. In einem kleinen vielleicht. Die bei dem Stoff auf der Hand liegenden Klischees wollen beziehungsweise müssen schließlich bedient werden. Allerdings wartet Sebastian Kos neuerliche Arbeit für einen Kölner "Tatort" mit einigen überraschenden Wendungen auf, die so nicht unbedingt vorhersehbar waren.

Erfrischend ist es darüber hinaus, dass die Fahnder sich auffallend oft in vornehmer Zurückhaltung üben. Dadurch überlassen sie den charakterreichen Episodenfiguren, aber auch dem fleißigen Kollegen Reiser (Patrick Abozen) das Feld und den nötigen Raum zur dramaturgischen Entfaltung. Der erhobene Zeigefinger der Ermittler bleibt zwar nicht die komplette Fahndungsarbeit über in der Hosentasche. Trotzdem ist man bei dieser Gemengelage überrascht, wie unaufgeregt Freddy und Max ihren Job erledigen können. Selbst als Max böse eins auf die Visage bekommt, die Brille aber wie durch ein Wunder keinen Kratzer abkriegt, fallen nur vereinzelt typische Kölner Kommentare.

Die "Wacht am Rhein" patrouilliert im "Veedel"

Wie bereits in der Vorwoche ermitteln die Kommissare also abermals gegen kriminelle Flüchtlinge und machen dabei mit einer braun gefärbten Bürgerwehr Bekanntschaft. Während in "Land in dieser Zeit" ein paar intellektuelle rechte Damen mit Sex-Appeal die Strippen zogen und unter dem Namen "Die Kongruenten" versuchten, das in Gefahr befindliche Heimatland vor einer ungewollten Vermischung zu bewahren, nennt sich das Kölner Pendant "Wacht am Rhein".

Deren Mitglieder tragen kleine runde Buttons am Revers, damit sie jeder sofort erkennen kann. Nachts patrouillieren sie in den Straßen des unsicher gewordenen "Veedels". Per Walkie-Talkie wandern Lageberichte und Einsatzbefehle hin und her. An der Spitze der Organisation thront mit Dieter Gottschalk (Sylvester Groth) ein ehemaliger Wachmann. Mit einfachen Parolen hält er seine Gefolgschaft bei der Stange. Das, was sich aus seinem Munde ergießt, erinnert an die geistige Grütze des ein oder anderen Politikers. Natürlich weist Gottschalk selbst jegliche Nähe zu Rassismus und Rechtsradikalismus entschieden von sich. Schließlich gehört auch er offenbar dieser "Das wird man ja noch mal sagen dürfen"-Fraktion an.

Keiner ist frei von Schuld

Als dann drei Schüsse aus einer vor dem Konkurs stehenden Zoohandlung dringen, ist "Die Wacht am Rhein" sofort vor Ort. Doch auch Gottschalk und seine eifrigen Aushilfs-Polizisten können nur noch den Tod des Inhabersohns feststellen. Der Fall scheint einfach. Doch mit zunehmender Dauer verschwimmen die Grenzen zwischen Opfern und Tätern. Kos Krimi nimmt den vorhin angekündigten untypischen Verlauf. Am Ende zeigt sich ganz deutlich, dass alle Beteiligten ihre Leiche im Keller liegen haben. Somit liegt die Botschaft des Films denn auch klar auf der Hand: Wer Gewalt mit Gewalt begegnet, erntet nie etwas Gutes, sondern bloß noch mehr Gewalt. Dabei spielt es keine Rolle, wer von den Beteiligten zur Faust oder zur Waffe greift. Gewalt macht aus Opfern nur neuerliche Täter und umgekehrt.

Wem das alles dann doch eine Spur zu melodramatisch und klischeehaft erscheint, darf sich immerhin an einigen pfiffigen Kamerafahrten oder aber an einem ganz besonderen Gastauftritt erfreuen. So ist Klaus Doldinger, Erfinder der "Tatort"-Melodie, in einer kleinen Nebenrolle zu bewundern. Der Komponist mimt – natürlich – einen Musiker, der vor einer Fußgängerunterführung seinen Dienst verrichtet. Auf seinem Saxophon erklingt eine Jazz-Version des "Tatort"-Themas. Max und Freddy staunen nicht schlecht, als sie an ihm vorbeigehen. "War das nicht?", fragt Freddy. Ja, Freddy, er war's.

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