Konzert ohne fürstliche Urheberin

30.3.2009, 00:00 Uhr
Konzert ohne fürstliche Urheberin

© Pressestelle FAU

Nicht die Tochter des großen Königs Friedrich hat das schöne und sehr eingängige g-Moll-Stück mit Allegro, Cantabile und Gavotte komponiert, wie bislang angenommen, sondern ein in der Musikgeschichte ziemlich unbekannter Freizeit-Künstler namens Johann Gotthilf Jänichen. Der Zusatz «di Wilhelmine» auf einer handgeschriebenen Partitur, die bislang als markgräfliches «Original» galt, soll also nicht etwa bedeuten, dass diese auch die Verfasserin des Werkes ist. Die Blätter waren vielmehr lediglich in ihrem Besitz und sie signierte sie nur flüchtig, ohne Hinweis auf Rang und königliche Abstammung: «Das gehört Wilhelmine».

Liebhabern fiel die Kinnlade herunter

Einen Skandal hat Sabine Henze-Döhring mit der Veröffentlichung ihrer Forschungsarbeit in Bayreuth nun nicht gerade ausgelöst, den Liebhabern der Kunst Wilhelmines fiel dennoch der Kinnladen ein wenig herunter, als sie erfahren mussten, wie wenig die Gräfin mit dem zwölf Minuten langen Stück für Cembalo und Streicher zu tun hat. Man will in Bayreuth nicht viel Wirbel um die Entdeckung machen, wenngleich anzunehmen ist, dass die Fragen nach der «Urheberin» in den kommenden Monaten öfters gestellt werden: Die Feierlichkeiten zum 300. Geburtstag der Schwester Friedrichs des Großen, die durch unfreiwillige Heirat von Berlin in die fränkische Provinz kam, fangen gerade erst an.

Aus Henze-Döhrings Recherchen geht nun allerdings hervor, dass das Stück, «das alle Züge eines barocken Konzertes trägt», stilistisch um 1720 entstanden sein muss. Wilhelmine aber hat nach eigenen überlieferten Aussagen erst 1734 das Komponieren erlernt. In Weimar ist Henze-Döhring nach diffiziler Puzzle-Arbeit auf jenen Jänichen gestoßen, der als Sekretär in Brandenburg tätig war und nebenher auch komponierte.

Nicht geklärt, wie die Abschrift nach Bayreuth kam

In einem Katalog des berühmten Musikverlegers Breitkopf ist auch das vermeintlich markgräfliche Cembalo-Konzert unter seinem Namen aufgeführt. Die komplette Original-Partitur (bei der Kopie «di Wilhelmine» fehlt auch noch die Cembalo-Stimme) mit dem Namenszug Jänichens ist beim Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar vernichtet worden; es existiert jedoch eine Mikrofilm-Aufnahme. Wie eine Abschrift des Werkes nach Bayreuth kam, ist nicht restlos geklärt.

«Man hatte bislang kein sonderliches Interesse daran, zu untersuchen, von wem das Werk wirklich stammt,» sagt Henze-Döhring, «weil man nur diese Handschrift hatte, auf der ,Wilhelmine’ steht. Die zweite Handschrift wurde ja erst 1996 entdeckt.»

Trotzdem wird der Name Wilhelmines weiterverwendet

Gleichwohl erklingt das Konzert nach wie vor unter dem Namen Wilhelmines, werden CD-Aufnahmen mit ihm geschmückt. Man sieht das in Bayreuth anscheinend nicht so eng: «Einige Musiker hier vor Ort sagen: Gut, es ist nicht von Wilhelmine, das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es ein schönes Konzert ist und man es unabhängig vom Namen des Komponisten aufführen kann», meint die Wissenschaftlerin.

Und denen, die dennoch glauben, dass diese Entdeckung Ruf und Ansehen Wilhelmines beschädigen könnte, entgegnet sie: «Es schadet ihr gar nicht, dass sie nicht als Komponistin des doch für ihre Zeit veralteten Konzerts dasteht. Jetzt wird der Blick erst frei für das, was die Markgräfin im Bereich der Musik tatsächlich geleistet hat. Sie war die große Macherin.»

Beruhigend für alle Wilhelmine-Fans sollte auch sein, dass Henze-Döhring keinen Zweifel daran zulässt, dass die preußische Prinzessin zumindest die Arien der ebenso liebgewonnenen Oper «Argenore» selbst verfasst hat. Folgerichtig heißt es dort auch: «Das Unglück hört auf zu wüten, wenn es den höchsten Grad erreicht.» BERND NOACK